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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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Zeichen empfangen hatten und an Bord der Schiffe gebracht worden waren, von denen nur die Götter wussten, wohin sie segelten, würde auch er das Zeichen empfangen und seine Kehle für den endgültigen Schnitt darbieten.
    Und ein anderer Teil seiner selbst bettelte darum, dass dieser Tag lieber früher als später kommen möge.
    Hinter sich hörte er leichte Schritte, und Ria küsste ihn auf die Wange, ehe sie sich abwandte. »Dann landen sie schon?«
    »Ja, edle Dame.«
    »Sagt Mal, dass ich mit ihm in meinen Gemächern speisen möchte, sobald er sich frisch gemacht hat.«
    »Soll ich den Schnitter rufen und eine Ladung für die Tische vorbereiten lassen?«
    Vlad Li Tam spürte die Krämpfe und wusste, dass er wieder geschluchzt hatte. Er hielt den Atem an, kämpfte gegen die Tränen und wartete darauf, dass Ria etwas sagte.
    »Nein«, antwortete sie. »Ich denke, wir können unserem geehrten Gast die Zeit gönnen, zu meditieren und sein Herz auf den Rest unserer gemeinsamen Aufgabe vorzubereiten.« Wieder hörte er die Schritte, und sie beugte sich noch einmal über ihn. Diesmal senkte sie den Oberkörper vor ihm, und er zwang sich dazu, den Blick von ihren Brüsten abzuwenden, die reif und fest in ihrer offenen Robe hingen. Er ließ ihn zu ihren Augen schweifen, doch die Liebe in diesen weiten, braunen Fenstern umfing ihn und rührte an etwas in ihm, das er nicht ganz begreifen wollte.

    Nach und nach beginne ich, sie auf eine finstere und vergiftete Weise zu lieben.
    Natürlich hatte er von solchen Dingen gehört. Er hatte bei anderen sogar ähnliche Taktiken eingesetzt, obwohl es ihm Kummer bereitet hatte. In den Händen eines fähigen Manipulators war Schmerz ein mächtiges Halluzinogen.
    Er biss die Zähne zusammen und rang die unerbetene Erwiderung seines Körpers nieder, als sie ihm eine Hand auf die Wange legte. Sie kam mit ihren Augen dicht an seine heran. »Wir sind hier beinahe fertig, Vlad. Ich wünschte, ich könnte unser gemeinsames Werk fortsetzen, aber ich fürchte, mich ereilt bald der Ruf an einen anderen Ort, an dem ich mich um etwas kümmern muss.« Sie legte ihre Lippen auf die seinen und drückte ihm ihre Zunge an die Zähne, die er fest vor ihr verschloss. Als sie sich zurückzog, lächelte sie. »Aber ich habe unsere gemeinsame Zeit genossen; deine Sippschaft mit dem Haus Y’Zir zu heilen war die größte Ehre, die mir zuteilwerden konnte … zumindest bis ich das Kind der Verheißung mit meinen eigenen Augen sehe.«
    Vlad sagte nichts. Stattdessen scheuchte er den Teil seiner selbst, der sich nach ihr sehnte, ebenfalls in jene tiefe Grube voller Schmerz. Es war keine Liebe, ganz gleich, wie es sich anfühlte oder was er glaubte. Es war etwas Wilderes und Erschreckenderes als das, und auch davon würde seine Armee bestens gedeihen.
    Er spürte Hände auf sich. Er spürte, wie sie sich an den Verschlüssen und Riemen zu schaffen machten und ihn wieder hochhoben, wie sie es schon so oft getan hatten. Und er spürte, wie seine Augen rollten und ihm die Zunge aus dem Mund hing, spürte das durchdringende, salzige Feuer über seinen Körper walzen, über die tausend Schnitte, die ihn geschaffen und vernichtet hatten.
    Morgen würden sie von Neuem beginnen. Morgen würde eine
neue Abordnung seiner Familie auf dem Altar seines Herzens dargebracht werden, um Gedichte aus ihren Schreien zu schneiden, mit denen sie ihn um Rettung aus diesem düstersten aller Alpträume anflehten, in den sie irgendwie geraten waren.
    Ich werde meinen Schmerz zu einer Armee heranzüchten , dachte er, und ich werde diese Insel in meinem Zorn vernichten. Ich werde euch ein Ende machen. Ihr werdet unter der Wut und euren eigenen Messern verglühen.
    Aber noch während er es dachte, hörte er das Hohngelächter von tausend Toten und weinte abermals unwillkürlich, wo es keine Tränen mehr zu vergießen gab.
    Neb
    Je weiter sie nach Osten rannten, desto heißer wurden die Tage und Nächte. Neb versuchte, sich seine Umgebung einzuprägen, stellte aber fest, dass dieses neue Transportmittel der Kartierung seines gegenwärtigen Weges nicht förderlich war.
    Natürlich war er auch nicht davon überzeugt, dass er den Weg zurück überhaupt kennen musste – trotz dieser angeblichen Ermächtigung gefiel es ihm auf dieser Seite von D’Anjites Brücke.
    Als Neb das Bewusstsein wiedererlangte, fand er sich unter einem mit Sternen übersäten Nachthimmel wieder, sah den blaugrünen Mond, der bald angeschwollen und schwer hinter das

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