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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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lauschen, sich durch seinen whymerischen Irrgarten aus Noten zu kämpfen und zu finden und zu geben, wonach auch immer es verlangte. Es rief ihn zu sich, hielt ihn fest und wollte ihn nicht loslassen. Aber er zwang sich, an etwas anderes zu denken, und erschauerte vor der Macht dieser eindringlichen Musik. Er blickte sich noch einmal um und prägte sich seine Umgebung ein, so gut er konnte. Neben ihm machte der Metallmann ein paar erste Schritte, die in einen langsamen Lauf übergingen. Neb zog ein Stück der schwarzen Wurzel aus der Tasche und steckte sie sich in den Mund.
    Dann lief auch er, fort von jenem vergrabenen Lied, das ihn lockte. Während er lief, breiteten sich die bitteren Säfte der Wurzel in seinem Mund aus, seine Beine streckten sich länger und
immer länger, bis die Luft um ihn herum zu summen begann. Hinter ihm rief ihn der Lobgesang. Er richtete seinen Blick auf den Metallmann, dem er folgte.
    Für eine Weile verklang das Lied, und er fand zu seiner Konzentration zurück, aber es war nur von kurzer Dauer.
    Der Mond ging auf, groß und tief stand er am Horizont und warf seinen blaugrünen Schein über die Mahlenden Ödlande. Als sein erstes Licht über die zerklüfteten Zähne der Berge im Osten fiel, war es Neb, als würde das Lied, das hinter ihm verklang, plötzlich wieder lauter werden. Es erfüllte den Nachthimmel, als würde der Mond selbst es singend weiterführen. Die Alte Welt war für Neb zu einem von Musik erfüllten Amphitheater geworden, über dessen weite Bühne er und der Metallmann liefen.
    Die Traurigkeit der Melodie ließ Neb Tränen in die Augen treten. Die Freude darin ließ ihn laut auflachen.
    Je näher die Wirkung der schwarzen Wurzel ihn zu seinem Metallgefährten aufschließen ließ, desto deutlicher erkannte er, dass er mit seiner Reaktion nicht alleine war.
    Lachend und weinend rannte der Metallmann völlig selbstvergessen zur Melodie des Lobgesangs unter einem schwangeren Mond, der die Klänge zurückwarf und verstärkte.
    Während er seine Schritte denen der androfranzinischen Maschine anpasste, ergab sich Nebios ben Hebda dem Lied und spürte zum ersten Mal den flüsternden Ruf der Heimat.
    Rudolfo
    Rudolfo ging in seiner kleinen Kajüte auf und ab und wartete darauf, dass das Langboot, das sie ausgeschickt hatten, mit Neuigkeiten zurückkehrte.

    Die Bundhai lag nach etwa einer Woche der Verfolgung endlich vor Anker, magifiziert und in eine Bucht auf der Südseite der Insel geschmiegt, zu der sie die Eiserne Armada letztendlich geführt hatte. Sie lag südlich des Horns und weit ab von den normalen Schifffahrtsstrecken – man musste einen Tag lang in die Spukgewässer segeln, die für die meisten Seeleute der Neuen Welt ein Tabu waren.
    Vom Deck aus hatte er die Insel heute schon gesehen. Sie war groß genug, um mit schroffen Hügeln aufzuwarten, die sich aus dem Dschungel erhoben, der die Insel bedeckte. Ihre weißen Strände waren lang, einladend und verlassen.
    Zumindest bis sie die Südseite erreicht hatten. Dort hatten sie Piere entdeckt, an denen sowohl eiserne als auch hölzerne Schiffe lagen, die entweder vertäut waren oder in dem tiefen, natürlichen Hafen ankerten. Darüber thronte auf einem Felsgrat ein riesiges weißes Steingebäude, das bis in den Himmel hinaufreichte.
    Schweigend hatte Rudolfo an der Reling beobachtet, wie die Schiffe, denen sie folgten, ihre Fracht abluden. Er hatte nicht erst auf seine Handknöchel blicken müssen, um zu wissen, dass sie weiß waren von seinem festen Griff um die Reling, während erst die Kinder und dann die Erwachsenen des Hauses Li Tam die Rampen hinabschlurften, in einer langen Reihe aneinander gefesselt und von Männern in dunklen Gewändern mit Kurzschwertern vorwärtsgetrieben.
    Danach hatten sie einen Bogen zur anderen Seite der Insel geschlagen und ihren Erkundungstrupp ausgesandt. Rudolfo hatte Rafes Männern seine beiden Zigeunerspäher mitgegeben und sich dann der anstrengenden Tätigkeit des Wartens gewidmet. Die Späher sollten einschätzen, mit wem sie es zu tun hatten, und dann Bericht erstatten. Danach stand die Entscheidung an, was sie tatsächlich ausrichten konnten. Rudolfo war skeptisch – sie hatten ein Holzschiff gegen eine Flotte aus Eisen, und die
Götter allein wussten, wie stark die eiserne Flotte tatsächlich bemannt war.
    Vielleicht, dachte Rudolfo, hätten sie doch weitersegeln und Sanctorum Lux suchen sollen. Zumindest schien das ein Szenario zu sein, bei dem das Glück eher auf ihrer

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