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Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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gegenseitig in den Schenken: ›Wo bist du gewesen, als Windwir gefallen ist?‹ Wir sind keine Götter – die meisten von uns glauben nicht einmal an Götter –, und es gibt keine Pulver und keine Magifizienten, um inmitten einer solch traumatischen Erfahrung und Gewalt einen klaren Kopf zu bekommen.« Er hielt an, inzwischen an seinem Tisch zurück, und blickte auf Petronus hinab. »Als Windwir fiel, handelten wir alle, wie es uns geboten war. Richtig oder falsch. Aber jetzt und hier einen einzelnen Mann zu beschuldigen, wenn so viele andere sich ihm auf der Anklagebank anschließen könnten, scheint mir voreilig und ungerecht zu sein.«
    Winters ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Die Gesichter waren eine einzige Ansammlung von aufgerüttelter Trauer und neu entfachtem Zorn. Jin Li Tam beugte sich über ihr Podium. »Was schlagt Ihr vor, Esarov?«
    Esarov lächelte. »Ich schlage eine vollständige Untersuchung der Vernichtung von Windwir vor, von der Bundschaft ermächtigt und unter voller Zusammenarbeit aller Staaten. Außerdem eine Untersuchung aller Taten, die zu diesem Ereignis geführt haben und darauf gefolgt sind, einschließlich einer vereidigten Aussage Eures Vaters, des Fürsten Vlad Li Tam, und aller anderen, die für die vorliegenden Tatbestände von Belang sind. Wir stellen jeden vor Gericht – nicht nur einen Mann. Oder« – hier hielt er inne, und Winters hörte das Rauschen der flüsternden Stimmen im Raum – »wir trauern um unsere Toten, machen weiter und bauen unsere Staaten wieder auf, stellen das Gleichgewicht in den Benannten Landen wieder her, heilen die zerbrochenen Bundschaften und arbeiten zusammen, um Königin Winteria gegen diese Resurgenten zu unterstützen, die in ihren Gebieten überhandgenommen haben. Beide Vorgehensweisen
wären angemessen, aber ich glaube nicht einen Augenblick daran, dass wir hier und heute auch nur an der Oberfläche der Wahrheit und Gerechtigkeit kratzen.«
    Winters rückte auf ihrem Stuhl herum, und dabei verschob sich die Amtsaxt, die auf ihrem Schoß lag. Einen kurzen Augenblick lang glaubte sie, wie in einem Spiegel eine Bewegung in der polierten Oberfläche der Klinge gesehen zu haben.
    Dann befanden sie sich plötzlich in der dritten Warnstufe. Eine mächtige Böe brachte das Zelt zum Wanken, und eine junge Frau trat ein, während die Zigeunerspäher von ihrer magifizierten Eskorte zurückgedrängt wurden.
    »Ich bringe Euch Kunde von Frieden und Gnade«, sagte die Frau und hob dabei die Hände. Sie trug einen goldenen Schuppenpanzer, und in ihr braunes Haar waren Knochen und Muscheln und Zweige geflochten. Auf dem Gesicht trug sie eine ähnliche Bemalung wie Ezra, nur sorgfältiger, mit dunklen Erdtönen, die ihre großen, braunen Augen zur Geltung brachten. Sie war unbewaffnet. »Entschuldigt meine Verspätung«, sagte sie. »Ich war mit einer Erlösung beschäftigt. Ich hatte gehofft, mich Euch gleich zu Beginn anschließen zu können.« Dann sah die Frau Winters an, und als sich ihre Blicke trafen, lächelte sie voller Wärme und Zuneigung. »Winteria«, sagte sie und neigte dabei den Kopf. »Ein starker und prophetischer Name.«
    Sie kennt mich. Winters musterte die Frau und erwiderte das Nicken rasch, in der Hoffnung, ihr Blick würde sich von ihr lösen, wenn sie es tat. Es stand etwas darin, das sie erschreckte. Etwas, das sich als Liebe ausgab.
    Die anderen hatten sich inzwischen erhoben, und Winters bemerkte, dass die Späher des Deltas und aus Turam ihre Pulver anwendeten und verschwanden, während sie ihre Klingen zogen. Die Zigeunerspäher blieben unmagifiziert und drängten sich dichter um Jin Li Tam und Petronus, ihre Hände an den Griffen ihrer Messer.

    »Ich ersuche den Rat um eine Audienz«, sprach die Frau weiter.
    Winters sah, wie Jin Li Tam zusammenzuckte. »Beendet das Ausrufen der Warnstufe«, befahl sie und wandte sich an die Frau. »Ihr seid in unseren friedlichen Bundschaftsrat eingedrungen, ohne geladen zu sein, mit einer magifizierten Eskorte, von der ich nur annehmen kann, dass sie bereitsteht, um Gewalt anzuwenden. Wer seid Ihr, und was wollt Ihr hier bei uns?« Die Ruhe, die die Zigeunerkönigin ausstrahlte, erstaunte Winters.
    »Ich betreibe unsere Erlösung und Sühne, Große Mutter«, sagte die Frau. »Ich bin Winteria bat Mardic, die erste und wahre Erbin des Weidenthrons und Königin des Machtvolks.«
    Winters hörte ein ersticktes Keuchen und erkannte, dass es von ihr gekommen war.
    Petronus
    Petronus

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