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Lobgesang

Titel: Lobgesang
Autoren: Ken Scholes
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rasch. Such Aedric. Sag ihm, er soll mir die neuesten Berichte bringen. Neb nickte kurz, und Rudolfo fuhr fort. Und sieh nach der edlen Dame Tam. Sag ihr, dass ich sie über alles unterrichten werde, sobald ich kann.
    Neb nickte abermals. Der junge Mann hielt die Tür auf, und Winters trat ein. Dann schloss er sie hinter ihr.
    Der Ausdruck auf dem Gesicht des Mädchens ließ Rudolfo innehalten. Sie sah kleiner aus als noch vor wenigen Stunden, ihre Augen waren rot und leer, ihr Mund vor Trauer verkniffen. Blasse Spuren, die den Weg ihrer Tränen nachzeichneten, hatten die Asche und den Schlamm weggewaschen, die die Klage ihres Volkes symbolisierten.
    Rudolfo winkte sie zu einem kleinen Sofa, das vor einer erhöhten Feuerstelle stand. »Bitte setzt Euch zu mir«, sagte er. Sie bewegte sich langsam und setzte sich, die Hände auf ihrem Schoß gefaltet. Er ließ sich bei ihr nieder. »Neb hat es Euch also erzählt? «
    Winters blickte auf, dann senkte sie den Blick und nickte. »Ja. Und ich habe es meinen Leuten erzählt.« Sie schluckte. »Zumindest jenen, die hier sind. Ich habe sie angewiesen, einen Vogel mit einer Nachricht nach Hause zu Hanrics Verwandten zu schicken.«

    Rudolfo hob die Augenbrauen. »Haltet Ihr das so kurz danach für klug?«
    Winters starrte ihn an. »Klugheit hat keinen Einfluss in Angelegenheiten, in denen Liebe im Spiel ist.«
    Rudolfo lächelte, dann bewegte er die Hände in der Haussprache von Xhum Y’Zir. Klugheit hat gerade dann einen Einfluss, wenn es um Liebe geht. »Euer Leben hat sich verändert, edle Dame. Ihr müsst jetzt vielleicht die Richtung Eures Denkens wechseln.« Er erinnerte sich an seine frühen Tage, die Tage, in denen Aerynus, Gregorics Vater, ihn heimlich instruiert hatte, so dass Rudolfo mit einer Erfahrung herrschen konnte, die weit über sein Alter hinausging. Und er erinnerte sich an den ersten Menschen, den er zum Tode durch die gesalzenen Messer der Anatomen verurteilt hatte, jene Messer, die ihm sein Vater hinterlassen hatte. Ihre bußfertige Folter war ein Instrument, das er lieber nicht an seinen Sohn weitergeben wollte. Aber sie hatten einem Zweck gedient, selbst wenn die Erlösung, die sie mit ihrem Blutlösen erwirkten, keine richtige Buße war. Dem einzigen Aufstand in den Neun Häusern – dem Ereignis, das König Jakob und Königin Marielle das Leben gekostet hatte – war der junge Rudolfo mit rücksichtsloser, unbarmherziger Sühne beigekommen.
    Sie schluckte bei seinen Worten und nickte.
    Rudolfo blickte sie an, klein und verängstigt, und sah sich selbst vor so vielen Jahren. Er beugte sich zu ihr. »Ihr habt meine Bundschaft, edle Dame Winters. Die Neun Häuser der Neun Wälder werden diesen Verrat aufdecken. Ihr könnt Euch meiner Unterstützung in allen Angelegenheiten gewiss sein.«
    Ihre Blicke begegneten sich. »Ich danke Euch, edler Herr.«
    Rudolfo griff nach der Flasche mit Würzfeuer, die auf dem Tisch stand, und deutete mit hochgezogenen Augenbrauen auf ein leeres Glas. »Was habt Ihr vor?«
    Winters nickte, und Rudolfo goss ihr einen kleinen Schluck des Likörs ein. »Ich werde mich ausrufen«, sagte sie. »Es geschieht
früh, aber vielleicht ist es so vorgesehen.« Nun wirkte sie verunsichert, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. »Nur …« Sie brach ab und griff nach dem Glas, hob es an die Lippen und nippte daran. Dann blickte sie wieder auf. »Ich habe das nicht in meinen Träumen gesehen.«
    Rudolfo goss sich selbst ein Glas ein. »Wie hättet Ihr es auch sehen sollen?«
    Winters zuckte die Schultern. »Ich habe in meinen Träumen Neb gesehen. Ich habe Windwir fallen sehen. Neb und ich haben unsere gelobte Heimat gesehen. Und viele unserer Träumenden Könige haben diese Tage ebenfalls gesehen und sie in ihrem Buch aufgeschrieben.«
    »Vielleicht«, deutete Rudolfo an, »ist auf diese Träume nicht immer Verlass.«
    »Und trotzdem«, entgegnete Winters, »hat in dem Augenblick, bevor die dritte Warnstufe ausgerufen wurde, eine Vorahnung von mir Besitz ergriffen.« Rudolfo beugte sich vor, während sie rasch darüber berichtete.
    »Ein Wind aus Blut?«, fragte er. Er stieß einen Pfiff aus, und die Tür öffnete sich. Ein Zigeunerspäher steckte den Kopf herein. Sieh nach, welche Klingen die Attentäter mit sich führten , bedeutete er ihm. Der Späher nickte und schloss die Tür. Rudolfo blickte Winters an. »Ich halte nicht viel von Aberglauben, aber das sollte untersucht werden. Ich werde Isaak darum bitten, es nachzuschlagen.
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