Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lobgesang

Titel: Lobgesang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
Vom Netzwerk:
Winters nach Luft und hoffte, dass das Geräusch nicht so laut war, wie es in ihren Ohren geklungen hatte. Aber diese Sorge war unbegründet, denn die anderen reagierten auf die gleiche Weise.
    Sie hatte befohlen, dass die Leichen unauffällig in einem Zelt aufgebahrt wurden, damit sie identifiziert werden konnten. Es war eine grobe Verletzung der Bräuche, sie nicht dort zu begraben, wo sie gefallen waren, um den Körper und die Seele in der Nähe des Ortes zu belassen, an dem sie ihre gemeinsame Reise beendet hatten. Aber extreme Umstände erforderten extreme Maßnahmen, und Winters konnte nicht zulassen, dass die
Sitten – ganz gleich, wie heilig sie waren – der Suche nach der Wahrheit inmitten dieses whymerischen Irrgartens im Wege standen. Trotzdem tat es ihr leid, dass ihre Seelen nun durch die Oberwelt streifen und niemals ihren Weg durch die Niederen Gefilde in die Heimat finden würden, die dahinter lag.
    Wieder blickte sie von Gesicht zu Gesicht. »Hat sonst noch jemand einen der Toten erkannt?«
    Langsames Nicken. Gesenkte Augen. Schließlich räusperte sich einer der alten Männer. »Der Sohn meiner jüngsten Schwester lag unter ihnen.«
    Nun stimmten auch die anderen mit ein. Einer war vertraut, aber kein Verwandter. Ein anderer war der Enkelin eines Freundes zum Ehemann bestimmt gewesen. Von dem halben Dutzend waren nur zwei unbekannt. Aber früher oder später, das wusste Winters, würde man auch sie identifizieren. In der Zwischenzeit galt es, sich anderen Angelegenheiten zuzuwenden.
    »Wäre es nur der Angriff in den Neun Häusern der Neun Wälder gewesen, hätte es die Einzeltat einer kleinen Verschwörergruppe sein können«, sagte sie. »Aber mindestens ein Dutzend Menschen sind in beinahe ebenso vielen Häusern gefallen.« Sie blickte sich um, während die alten Männer nickten. »Diese Angriffe waren gut vorbereitet, genau auf den Augenblick abgestimmt und so sorgfältig ausgeführt wie ein Tanz der Herabkunft in der Nacht des grünsten Mondes.«
    »Und unter dem Deckmantel der Alten und Vergessenen Wege«, fügte einer hinzu.
    Vergessen und verboten , dachte Winters. Die einzige Blutmagie, die ihnen nach der Säuberung verblieben war, waren die Stimm-Magifizienten, die im Krieg und zur Krönung eingesetzt wurden. Aber irgendwie waren jene Alten Wege wiederhergestellt und ohne das Wissen des Rates oder der Königin angewendet worden. »Ich fürchte, in unserem Haus wird Zwietracht und Spaltung gesät«, sagte sie. »Wir müssen diese Saat aufspüren und
vernichten und tun, was immer dazu nötig ist. Aber überdies müssen wir auch über unsere Grenzen hinausschauen. Wir haben uns den Respekt unserer Nachbarn lange durch Zwang und Angst gesichert, doch von Kummer zu Zorn ist es nur ein kleiner Schritt. Und diese finsteren Taten wurden von Sümpflern verübt – das ist unseren Nachbarn nicht unbekannt, sie haben Leichen, um es zu beweisen.«
    Der Älteste meldete sich zu Wort. »Unsere Erwiderung auf ihren Zorn wird lauter tönen als jede Kriegspredigt.«
    Winters nickte. »Dem pflichte ich bei.«
    »Wir sollten uns auf den Krieg vorbereiten«, sagte ein anderer.
    Sie blickte ihn an. »Wir sind das Haus von Shadrus. Der Krieg bereitet sich auf uns vor, und wir begegnen ihm stets so, wie unsere Trauer es verlangt.«
    Der Älteste wandte sich an den anderen. »Es ist auch eine Botschaft, wenn wir mehr unternehmen als nötig. Unsere Nachbarn, irregeführt und befangen, sehen in diesen Angriffen vielleicht mehr als das, was sie sind. Das würde uns nicht anders ergehen. Dass aber Hanric, einer von uns, unter den Gefallenen war – er, den sie für unseren König hielten –, wird ihrer Angst vielleicht die Schärfe nehmen.«
    Aber nicht ihrem Zorn , wurde Winters klar. Und nach allem, was sie wusste, waren diese Anschläge auch mehr, als sie zu sein schienen. So kurz nach Windwir fühlten sie sich zumindest nach mehr an.
    »Was schlagt Ihr vor?«, fragte sie ein anderer, und Winters seufzte.
    »Wir finden die Krankheit, die unseren Leib befallen hat, und merzen sie aus«, sagte sie. »Ihr seid die Zwölf, von allen geachtet und geliebt. Sucht für mich bei Euren Klans die Wahrheit.« Sie warf einen Blick auf den Weidenthron. »In der Morgendämmerung werde ich den Thron nehmen und auf den Hochgipfel steigen, um mich selbst auszurufen. Es geschieht früher, als mein
Vater es sich gewünscht hat, aber die Zeit der Schatten ist vorüber. «
    Alle nickten.
    Auch Winters nickte, und dann schlug sie

Weitere Kostenlose Bücher