Lockend klingt das Lied der Wueste
zerstört wird.“
„Machen Sie ein Foto“, schlug Karim vor.
„Gute Idee.“ Lisa hatte schon die Kamera in der Hand. So konnte sie den Anblick, der sich ihr bot, für immer festhalten.
„Würden Sie sich bitte zu den Bäumen stellen, damit man einen Vergleich zu deren Größe hat?“, bat sie.
Im ersten Moment reagierte er nicht, doch dann nickte er und kletterte aus dem Jeep. Das Band des Flusses glitzerte in der Sonne, und der Schatten der Bäume wirkte kühl und einladend. Ein arabischer Prinz in traditioneller Tracht würde dem Bild etwas Mystisches verleihen. Begeistert machte Lisa eine Reihe von Aufnahmen. Nur sie allein würde wissen, wer sich in dem Gewand verbarg, denn nur Karims Augen waren zu sehen.
„Genug“, sagte er einen Moment später und stieg wieder in das Auto.
Lisa war froh, dass die holprige Fahrt in dem unbequemen Jeep bald zu Ende war. Schon zwei Mal hatte sie sich ihren verletzten Fuß recht schmerzhaft gestoßen, und wenn das Fahrzeug sich scharf nach rechts neigte, brach ihr jedes Mal der Angstschweiß aus. Auch das Auto, das ihre Mutter in jener verhängnisvollen Nacht gefahren war, hatte sich nach rechts überschlagen, bevor es auf dem Dach liegen blieb. Die furchtbare Erinnerung an den Unfall würde sie ihr Leben lang verfolgen.
Vor ihnen tauchte das Beduinendorf auf. Die schwarzen Zelte, deren Bahnen aus der Wolle von Langhaarziegen gewebt waren, konnten leicht auf- und abgebaut werden und waren leicht zu transportieren, wenn die Nomaden mit ihren Herden von einem Weideplatz zum anderen zogen. Lisa blickte sich um. So weit das Auge reichte, grasten flussauf- und – abwärts Schafe an den Ufern.
Vor einem Zelt am Rande des Lagers brachte Karim den Jeep zum Stehen. Bevor Lisa richtig wusste, wie ihr geschah, war sie von einer Traube von Menschen umringt und ihnen vorgestellt worden und hielt eine Tasse Wasser in der Hand. Die Dorfbewohner gaben sich freundlich, aber zurückhaltend. Karim übersetzte ihre Begrüßungsworte.
Es dauerte nicht lange, bis Lisa von neugierig lächelnden Frauen in bunten Gewändern umstellt war und eine Schar Kinder aufgeregt um sie herumrannte, nachdem sie eine Tüte Karamellbonbons unter ihnen verteilt hatte.
„Solche Naschereien bekommen sie nicht oft“, bemerkte Karim. „Es war nett von Ihnen, dass Sie daran gedacht haben.“
Nachdem er mit einigen Männern verhandelt hatte, wurde ihnen ein Rundgang durch das Dorf gestattet. Die Kinder liefen mit ihnen mit, hüpften um sie herum und bettelten um mehr Süßigkeiten.
Auch zwei ältere Männer in weißen Beduinengewändern begleiteten sie. Karim unterhielt sich eine Weile mit ihnen.
„Sie sind nicht glücklich über den Dammbau“, raunte er Lisa anschließend zu.
„Wären Sie es, wenn Ihr Leben danach nicht mehr das Gleiche wäre?“, gab sie zurück. „Solche einschneidenden Veränderungen sind immer schwierig zu verkraften, egal, ob sie positiv oder negativ sind.“ Sie hob ihre Kamera und deutete damit fragend auf die beiden Männer. Nachdem Karim ihnen etwas auf Arabisch gesagt hatte, lächelten sie breit und nickten. Sie waren also damit einverstanden, fotografiert zu werden.
Der Nachmittag verflog im Nu. Als Karim zum Aufbruch drängte, weil er nicht wollte, dass sie auf der Rückfahrt in die Dunkelheit gerieten, riss Lisa sich nur ungern los.
„Danke, dass Sie mich hergebracht haben“, sagte sie, als sie wieder im Jeep saßen. „Ich finde sonst wenig Gelegenheit, mich mit Kindern zu beschäftigen. Es hat mir Spaß gemacht, mit ihnen zu lachen und zu scherzen.“
„Sie sollten das öfter tun. Sie scheinen mit Kindern gut umgehen zu können, selbst wenn Sie ihre Sprache nicht verstehen.“
Kurz vor Anbruch der Dunkelheit trafen sie im Camp ein. Im Gemeinschaftszelt wurde bereits das Abendessen serviert. Lisa und Karim beeilten sich, um sich rasch etwas frisch zu machen, bevor sie sich zu den anderen setzten.
Karim legte seinen Burnus ab und warf ihn auf einen der Hocker, die vor den Wassercontainern standen. Darunter trug er normale Straßenkleidung. Lisa wusch sich Gesicht und Hände und versuchte dabei, die erotische Anziehungskraft zu ignorieren, die er auf sie ausübte. Vergiss nicht, dass er für dich unerreichbar ist! ermahnte sie sich energisch.
Wenig später betraten sie das Gemeinschaftszelt. Professor Sanders, der mit zwei seiner Studenten an einem Tisch saß, winkte ihnen zu. Karim ging zu ihm hinüber und setzte sich. Innerhalb weniger Augenblicke waren
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