Lockende Flammen
Doch sobald ihr bewusst wurde, was sie vorhatte, ballte sie die Hand zur Faust und zog sich hastig wieder zurück. Der erstaunt spöttische Blick, den er ihr zuwarf, trieb ihr die Röte in die Wangen.
„Aber Falcon hat alles in seiner Macht Stehende getan, um meinen kleinen Bruder und mich zu beschützen, und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Obwohl er damals selbst noch so jung war, hat er dafür gesorgt, dass wir zusammenhalten und uns gegenseitig stützen. Das verbindet uns bis heute.“
Leonora trank einen großen Schluck Wein, um das unerwünschte Mitgefühl hinunterzuspülen, das in ihr aufstieg.
Alessandro schwieg einen Moment, bevor er fortfuhr: „Für meinen Vater muss ein Mann in jeder Hinsicht erfolgreich sein, sonst ist er kein richtiger Mann. Ich kann zwar beruflichen Erfolg vorweisen, aber ich habe immer noch keine Familie, was in den Augen meines Vaters nur ein weiterer Beweis dafür ist, dass ich ein Versager bin. Und da man getrost annehmen darf, dass er das auch in alle Welt hinausposaunt, wenn ich morgen allein auftauche, möchte ich, dass Sie mich begleiten. So nehme ich ihm den Wind aus den Segeln und verhindere es, dass er versucht, mich ein weiteres Mal zu demütigen.“
Wie gut sie das verstehen konnte.
„Das Problem ist nur, dass ich es kaum schaffen werde, Ihren Vater zu beeindrucken“, gab sie zu bedenken. „Sie sollten sich nicht unterschätzen.“ Sie stutzte und musterte ihn überrascht, aber da fuhr er auch schon fort:
„Mit Ihrem Aussehen hat das nichts zu tun. Selbst der größte Versager kann sich heutzutage eine nach landläufiger Meinung gut aussehende Frau kaufen. Sie hingegen wirken authentisch. Außerdem haben Sie einen Beruf, der unsere Verbindung wahrscheinlich macht. Nur mein Bruder könnte sich als ein Problem entpuppen, der lässt sich nämlich nicht so leicht hinters Licht führen. Deshalb verlange ich, dass Sie fest an meiner Seite bleiben. Und passen Sie gut auf, dass Falcon Sie nicht mit seinem Charme um den kleinen Finger wickelt, sonst war die ganze Mühe umsonst.“
„Also, wenn Sie jetzt von mir erwarten, dass ich wie eine Klette an Ihrem Arm hänge und Ihnen jedes Wort von den Lippen ablese … nein, wirklich, das kann ich nicht …“
„Ich erwarte nur, dass Sie sich wie eine weltgewandte, kultivierte Frau benehmen, die zwar diskret, aber doch unübersehbar zum Ausdruck bringt, dass sie mir hundertprozentig ergeben ist. Zum Beispiel werden Sie Ihre Hand auf meinen Arm legen und mir tief in die Augen blicken, um allen Anwesenden zu verdeutlichen, dass kein Mann auf dieser Welt jemals meinen Platz in Ihrem Herzen einnehmen kann.“
Er streckte die Hand nach der Weinflasche aus und hielt sie fragend hoch, aber Leonora schüttelte den Kopf. Sie durfte auf keinen Fall noch mehr trinken, sonst platzte sie womöglich noch damit heraus, was sie von dieser hundertprozentigen Ergebenheit hielt. Und das durfte keinesfalls passieren – immerhin ging es um Leos Job.
„Na klar, ist doch ein Klacks für mich“, sagte sie mit beißendem Spott.
„Ihretwegen läuft Ihr Bruder Gefahr, seinen Job zu verlieren“, erinnerte er sie.
„Und ich bin Ihretwegen gezwungen, eine Rolle zu spielen, die mir überhaupt nicht schmeckt“, konterte Leonora. „Nie im Leben würde ich einen Mann anhimmeln. Wir wären entweder auf gleicher Augenhöhe zusammen oder gar nicht. So eine lächerliche Heldenverehrung würde ich nie mitmachen und es dann auch noch als Liebe verkaufen. Oder gar mich zu unterwerfen. Einen Mann, der so etwas von mir verlangt, könnte ich überhaupt nicht lieben.“ Leonora machte eine Pause und atmete tief durch, bevor sie triumphierend fortfuhr: „Aber wenn Sie wirklich erwarten, dass ich Ihre zutiefst ergebene Geliebte spiele, werden Sie selbst Ihren Teil schon auch beitragen müssen.“
„Es reicht, dass ich Sie gebeten habe, mich zu begleiten.“
Leonora wollte ihren Ohren kaum trauen. Jetzt hatte seine Arroganz also doch noch gesiegt.
Als sie im Garten einen Nachtvogel singen hörte, wandte sie den Kopf, lauschte für einen Moment und sagte dann: „Das ist wirklich ein wunderschöner Garten.“
„Das stimmt, aber Sie sollten ihn besser nicht betreten“, gab er zurück und fügte nach einem kurzen Schweigen hinzu: „So, ich denke, das war’s fürs Erste, nur damit Sie wenigstens einigermaßen Bescheid wissen. Morgen früh nach dem Frühstück werden Sie abgeholt, um die erforderliche Garderobe einzukaufen.“
„Wie wollen Sie
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