Lockende Kuesse
wunderte sich. »Aber wieso denn nicht?«
Mrs. Hobson schüttelte den Kopf. »Wegen dem Treiben hier«, erwiderte sie. »Was für ein Treiben?«, erkundigte sich Kitty verständnislos.
»Das weiß ich, und Sie werden's noch schnell genug rausfinden, Missy«, krächzte die Alte glucksend.
Kitty beschloss, diese respektlose Hausangestellte ein wenig strenger anzufassen.
»Nun, wir werden heute Abend zu fünft sein. Ich überlasse Ihnen das Menü, Mrs. Hobson - ich will mich schließlich nicht schon an meinem ersten Tag einmischen -, aber lassen Sie sich eins gesagt sein: wenn ich nicht zufrieden bin, werde ich nicht zögern, hier einiges zu verändern.«
»Nun, lassen Sie sich eins gesagt sein, Mrs. Brownlow! Wenn Ihr Mann mir nicht bald den rückständigen Lohn zahlt, dann werde ich nicht zögern, hier was zu verändern.«
Kitty war sofort ganz zerknirscht. »Oh, das tut mir aber schrecklich Leid, Mrs. Hobson. Wie viel schuldet Simon Ihnen denn?«
»Auf den Tag genau die letzten drei Monate.«
»Ich werde sofort mit ihm darüber sprechen«, versprach sie, überlegte gleich darauf jedoch, dass morgen wohl besser wäre. Sie kam gerade aus der Küche, als sie sah, wie Brockington hinter Madge die Treppe hinauflief. Beide zogen sich dabei ganz unbekümmert aus.
»Besoffen wie die Lords«, scherzte Simon, als er ihren entsetzten Gesichtsausdruck sah. »Die können's gar nicht erwarten, in ihre Reithosen zu kommen und ein bisschen jagen zu gehen. Bis zum Abendessen sind wir wieder da. Amüsiere dich gut.«
»Simon, einen Moment bitte. Ich weiß, wir sind übereingekommen, nicht aufeinander zu hocken, aber du hast mir noch nicht mal mein Zimmer gezeigt.«
»Tut mir Leid, Kit«, brummte er, »aber jetzt werde bloß keine Meckerziege. Such dir einfach irgendein Zimmer aus. Ach, einen Rat noch: dieses Pack hier nimmt gewöhnlich immer die links von der Treppe gelegenen Zimmer, also würde ich dir empfehlen, das rechte zu nehmen.«
Terrance kam kopfschüttelnd aus den Ställen zurück.
»Mr. Hobson scheint seine Arbeiten wohl ebenso gewissenhaft zu erledigen wie Mrs. Hobson«, bemerkte Kitty.
Kitty machte ein Feuer in jedem Raum. Dann sah sie sich das Haus gründlich vom Speicher bis zum Keller an. Sie steckte die Nase in jeden Schrank und in jedes Fach. Schließlich fand sie ein erbärmliches Häufchen Kohlen, schaufelte ein paar davon in einen Kohleeimer und trug ihn hinauf ins Wohnzimmer. Dabei sah sie plötzlich ihr eigenes Bild vor Augen und sank nach Luft ringend in den nächsten Sessel. »Schon wieder beim Kohleschleppen«, keuchte sie vor Lachen. Ach Gott, wenn ich nicht lache, dann breche ich in Tränen aus, dachte sie wild. In was um Himmels willen bin ich da bloß hineingeraten?
Es herrschte lärmendes Chaos. Dröhnendes Lachen schallte ihr aus dem Esszimmer entgegen, als sie es betrat. Mrs. Hobson servierte ein beinahe ungenießbares Mahl, das aus einer wässrigen Suppe und zähem, gekochtem Fasan bestand. Gemüse gab es kaum dazu, und das Brot war alt. Aber die jungen Männer griffen herzhaft zu und prosteten einander derart überschwänglich zu, dass man den Eindruck bekam, die kleine Dinnerparty war ein rauschender Erfolg. Danach zog man sich in die Bibliothek zurück und baute umgehend einen Kartentisch auf.
»Nun komm schon, Terry; du auch, Kit. Nichts geht über ein gutes Spielchen.«
»Tut mir Leid, Simon, ich mag Kartenspielen nicht, wahrscheinlich weil ich's nicht kann, und Terry hat kein Geld.«
»Unsinn. Ich bürge für ihn«, erklärte Brockington großspurig. Sie bestanden darauf, dass Terry sich zu ihnen setzte. Kitty erschrak bald über die Summen, die sie setzten, wusste jedoch, dass es sinnlos gewesen wäre, mit Angetrunkenen zu argumentieren, also sagte sie schließlich ganz verzweifelt zu Simon, dass sie nun zu Bett gehen würde. Sie blickte ihn ängstlich an. Sein Mund verzog sich zu dem liebenswürdigsten, jungenhaftesten Lächeln, das man sich vorstellen konnte. Sie zog das Spitzennachthemd an, das Julia ihr geschenkt hatte und wartete. Das einzige Gesicht, das Kitty vor sich sah, war Patricks. Der Mund, der so grausam und so leidenschaftlich sein konnte, die arrogante Nase, die blitzenden Augen, das alles ließ sie nicht mehr los. »O Gott, ich liebe ihn so«, weinte sie laut.
Der Lärm von unten wurde immer lauter, doch Simon kam immer noch nicht. Schließlich entspannte sich Kitty ein wenig und schlief ein. Simon kam die ganze Nacht nicht.
Patrick hatte kaum seinen
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