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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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Unterstützung. Zur Not werde ich aber auch allein damit zurande kommen. Ihr habt also die Wahl, Mr Brock. Überlegt es Euch gut. Entweder Ihr helft mir und respektiert mich als Hausherrin, oder Ihr verlasst uns und hindert mich nicht länger an meinem Vorhaben.“
    Noch nie hatte Julianna eine so lange und eindrucksvolle Rede gehalten, und das Schweigen, das darauf folgte, schien kein Ende nehmen zu wollen.
    Schließlich raffte sich der Haushofmeister doch noch zu einer Antwort auf. „Ich bleibe“, erklärte er kurz. „Aber nicht wegen Eurer lächerlichen Drohungen, sondern weil ich ein wachsames Auge auf Euch haben will.“
    „Ein weiser Entschluss, Mr Brock“, entgegnete Julianna mit vor Aufregung heiserer Stimme. „Eure Motive dafür interessieren mich nicht, und Eure Kontrolle werde ich zu ertragen wissen.“
    Brock starrte auf einen Punkt irgendwo auf ihrer Stirn und fragte mit unbewegter Miene: „Und wie lauten Eure Befehle für mich?“
    Bei diesen Worten atmete Julianna unwillkürlich auf. Ihre Position schien sich demnach deutlich gebessert zu haben. „Eines der Mädchen soll Wasser und ein paar Tücher ins Krankenzimmer bringen. Den Bader habe ich übrigens schon nach Hause geschickt.“
    „Was habt Ihr?“, rief Mr Brock außer sich.
    „Dämpft Eure Stimme etwas, Mr Brock, und denkt an Euern Entschluss. Ich wünsche diese Aasgeier nicht in meinem Hause, und ich möchte auch nicht, dass Sir Edmund an ihren sogenannten Behandlungen zugrunde geht. In aller Morgenfrühe müsst Ihr zum Westminster Hospital in der Chapel Street gehen und dort nach Jonathan Cail fragen. Auf dem Rückweg gebt ihm so viele Informationen wie möglich über Sir Edmunds Krankheit. Das reicht fürs erste.“
    Als Mr Brock verschwunden war, gestattete sich Julianna eine kurze Ruhepause. Sie lehnte sich müde an die Wand und hielt die Tränen nicht zurück, die ihr trotz ihres Erfolges in der Auseinandersetzung mit dem Haushofmeister in die Augen schossen. Doch dann schalt sie sich ob ihrer Schwäche. Gut begonnen ist halb getan, hatte Winnie immer gesagt. Aber der größte und schwerste Teil stand ihr ja noch bevor. Dort drüben lag ein fiebernder Mann, der auf seine vor vielen Jahren verstorbene Schwester wartete …
    Sie fand Sir Edmund wieder sehr erschöpft vor. „Geh nicht wieder fort, Alice“, bat er inständig. „Mein Kopf tut so weh. Das Licht schmerzt mich.“
    Julianna blies die Kerze aus und setzte sich auf den Bettrand. „Ist es so besser?“, fragte sie leise und tastete in der Dunkelheit nach seiner Hand.
    Sir Edmund umklammerte ihre Finger. „Sing mir etwas. Ich höre dich so gerne singen, Alice.“
    „Was soll ich denn singen?“
    „Du weißt doch, dass Scarborough Fair mein Lieblingslied ist“, erwiderte der Kranke unwillig.
    „Natürlich. Wie konnte ich das vergessen? Fährst du zum Jahrmarkt nach Scarborough? Petersilie, Salbei, Rosmarin und Thymian … “ Zart, fast wie ein Hauch sang Julianna die alte Melodie und dann noch all die anderen sanften, beruhigenden Gesänge, die ihr in den Sinn kamen: Balladen und kleine Arien, Kinderreime und Kirchenlieder. Zwischendurch murmelte sie alle zärtlichen Liebkosungen, deren sie sich aus ihrer Kinderzeit erinnerte. Als dann ein Mädchen das Wasser brachte, kühlte sie dem Kranken mit einem feuchten Tuch die Stirn.
    Die Wintersonne stand bereits fahl und blass über dem Horizont, da bemerkte Julianna, dass Sir Edmunds Atem langsamer und gleichmäßiger geworden war. Die Stirn fühlte sich auch kühler an, und wenig später war der Kranke eingeschlafen. Wieder stiegen Julianna die Tränen in die Augen – diesmal jedoch aus Dankbarkeit.
    Im Korridor traf sie auf Jonathan Cail. „Oh, lieber Doktor, ich danke Euch für Euer raschesKommen“, rief sie schon von Weitem. „Zum Glück schläft Sir Edmund gerade zum ersten Male einigermaßen ruhig.“
    „Nun, dann wollen wir ihn jetzt nicht stören“, erwiderte der Arzt freundlich. „Doch aus dem Bericht Eures Haushofmeisters ersehe ich, dass Euer Gemahl noch nicht außer Gefahr ist.“
    „Was meint Ihr damit, Doktor Cail?“, erkundigte sich Julianna besorgt.
    „Diese Art Fieber verläuft zyklisch, das heißt, über etwa zwei Tage hinweg ist mit einer Reihe von Anfällen zu rechnen. Wie mir Mr Brock mitteilte, ist soeben erst der zweite im Gange gewesen. Das bedeutet demnach, dass die Krankheit bei Weitem noch nicht überwunden ist.“
    Juliannas Antlitz verdüsterte sich bei dieser besorgniserregenden

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