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Lockende Versuchung

Lockende Versuchung

Titel: Lockende Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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das Zimmer.
    Voller Unruhe folgte Julianna ihm wenig später und belauschte von der Galerie aus das Gespräch zwischen den beiden Männern.
    „Ich will meine Schwester sprechen, mein guter Mann.“
    „Ich bin nicht Euer Mann“, erwiderte Mr Brock scharf.
    „Wirklich?“ Kein anderer Mensch auf der Welt konnte seiner Stimme so viel spöttische Unverschämtheit verleihen wie Jerome. „Nun, man sagte mir, dass Sir Edmund im Sterben liegt. Wenn er seinen letzten Seufzer getan hat, ist meine Schwester Herrin dieses Hauses, und als ihr Vormund werde ich dann Euer neuer Herr sein. Gibt das dieser Angelegenheit nicht einen etwas anderen Anstrich, Alter? Also, lauft los und holt Julianna, und dann wollen wir nicht mehr darüber reden.“
    „Wenn Sir Edmund stirbt“, knurrte Mr Brock, „könnt Ihr meinetwegen dieses Haus in Brand stecken. Aber solange er lebt, könnt Ihr sicher sein, dass Ihr meine Herrin nicht sprechen werdet, wenn sie sagt, dass sie Euch nicht empfangen will.“
    Mr Brock schwingt sich doch wahrhaftig zu meiner Verteidigung auf, dachte Julianna überrascht. Es war kaum zu glauben. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass alles, was zwischen ihr und den gierigen Klauen ihres Stiefbruders stand, ein todkranker Mann war. Sir Edmund würde sterben, dessen war sie sich auf einmal völlig sicher, und deshalb musste sie fort von hier, solange es noch Zeit war. Schließlich hatte Jerome ihr damals schon angedroht, sie ins Schuldgefängnis werfen zu lassen, wenn sie nicht so schnell wie möglich heiraten würde. Jetztwar ihre Lage allerdings weitaus besser. Sie hatte das großzügige Nadelgeld von Sir Edmund und konnte zudem den kostbaren Ehering und das Medaillon zu Geld machen, natürlich ohne Crispins Miniatur.
    Keinen Augenblick länger durfte sie zögern. Sie musste sich stehenden Fußes umziehen und ihre Sachen packen. Crispin würde Verständnis dafür haben, wenn sie unter diesen Umständen seinen sterbenskranken Onkel im Stich ließ. Sie brachte sich doch nicht zuletzt um seinetwillen in Sicherheit.
    Doch als sie an Sir Edmunds Tür vorüberlief, drang ein Ruf zu ihr, und ihre Beine versagten ihr plötzlich den Dienst. Ohne es zu wollen, legte sie die Hand auf die Klinke und drückte sie nieder. Sir Edmund lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett. Hatte sie wirklich seine Stimme gehört, oder war es die Mahnung ihres Gewissens gewesen? Zögernd gestand sie sich ein, dass sie es nicht übers Herz brachte, diesen widerspruchsvollen, unergründlichen Menschen einsam sterben zu lassen, auch wenn sie sich auf diese Weise Jerome in die Hände lieferte.
    Lautlos nahm sie ihren gewohnten Platz neben dem Bett wieder ein, und als Mr Brock zurückkehrte, lächelte sie ihn dankbar an. Kaum hatte sich der Haushofmeister einen Stuhl an das Fußende gestellt, als Sir Edmund zu zittern begann und nach mehr Decken verlangte.
    „Holt den Doktor! Schnell!“, flüsterte Julianna.
    Wortlos eilte Mr Brock aus dem Zimmer.
    „Hilf mir, Alice. Ich ersticke“, flehte Sir Edmund und versuchte vergeblich sich aufzurichten.
    Julianna riss die Tür zur Galerie auf, damit von dort kühle Luft in das Zimmer strömen konnte. Dann setzte sie sich auf die Bettkante, umschlang den mager gewordenen Körper des Kranken und bettete seinen Kopf an ihre Schulter. Die Minuten verstrichen in quälender Langsamkeit. Ihr Kleid war schon völlig von Schweiß durchtränkt, und die Arme fingen an abzusterben.
    „Können wir nicht in den Garten gehen, Alice?“ Sir Edmunds heiseres Flüstern ließ sie emporschrecken. „Wir wollen uns die schönen Rosen ansehen. Ich habe keine einzige gepflückt, nur angefasst, und dann sind sie verwelkt und gestorben. Alle habe ich getötet.“
    Ein Schauer lief bei diesem Geständnis über Juliannas Rücken, und die tröstenden Worte erstarben ihr auf der Zunge. Aber es sollte noch schlimmer kommen.
    „Ich habe … sie umgebracht“, keuchte Sir Edmund. „Ich … habe auch … Mutter … getötet.“
    Entsetzt bemerkte Julianna, dass der Körper des Kranken plötzlich erstarrte.
    „Gwenyth! John!“, schrie sie verzweifelt. „Kommt schnell her!“
    Auf ihr Rufen eilte Mr Brock herbei und mit ihm der Doktor. „Keinen Augenblick zu früh“, murmelte Jonathan Cail, holte ein lanzettartiges Messer aus seiner Tasche und machte damit einen daumenbreiten Schnitt in Sir Edmunds Unterarm. Dunkelrotes Blut quoll daraus hervor und durchtränkte rasch das Bettzeug, noch ehe der Haushofmeister eine Schüssel unter die

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