Lockende Versuchung
wünschte, waren Scharen junger Laffen, die seine Gemahlin mit Schafsaugen anstarrten. Seit Julianna von Beginn der Saison an von einem gesellschaftlichen Triumph zum anderen geschritten war, hatte ihn das Monster der Eifersucht in den Krallen. Ja, wenn sie wirkliche seine Gemahlin gewesen wäre, hätte er sich wohl in ihrem Erfolg gesonnt und sie das Nachts um so zärtlicher in seine Arme genommen. Wie die Dinge jedoch lagen, neidete er jedem Mann ein beiläufiges Wort oder einen unschuldigen Tanz mit Julianna.
Die Perücke war offensichtlich zu klein, denn sie drückte unerträglich über den Ohren, und das Jabot schnürte ihm den Hals ab. Edmund schnitt seinem Spiegelbild eine hämische Grimasse. Aber wie auch immer, all die Leiden würden nicht zählen, wenn Julianna auf diese Weise einen begehrenswerten Mann in ihm sähe.
„Edmund, bist du schon fertig?“ Bei dem Klang von Juliannas Stimme fuhr er zusammen. Jetzt musste es sich erweisen, ob seine Mühen um ein attraktives Aussehen von Erfolg gekrönt waren. Er straffte die Schultern und betrat sein Schlafzimmer.
„Habe ich mich etwa verspätet, Julianna?“, erkundigte er sich unsicher, während er mechanisch an seinem Hemdkragen zog. „Dieses verdammte Jabot! Ich wette, die Wäscherin hat diesmal Kleister zum Stärken benutzt. Kannst du mir es bitte wieder abmachen?“
Als er Julianna erblickte, erstarben ihm jedoch alle weiteren Worte auf den Lippen. Sie sah so unbeschreiblich begehrenswert aus, dass er sie einfach in die Arme nehmen musste, dass er sie … Doch bevor er sich auch nur einen Schritt nähern konnte, legte Julianna die Hand auf die Lippen und wies mit der anderen lachend auf seinen Kopf.
„Wo hast du nur diese alberne Perücke her? Ich hoffe, du willst sie nicht etwa heute Abend tragen? Du siehst ja geradezu zum Fürchten aus.“
Noch nie war sich Edmund so verunsichert vorgekommen. Er stand wie angewurzelt mitten im Zimmer und versuchte, seiner widerstreitenden Gefühle Herr zu werden.
„Was hältst du hingegen von meinem Federschmuck?“ Julianna machte einen tiefen Knicks und drehte dabei herausfordernd den Kopf.
„Du bist ja die reine Modepuppe geworden“, stieß Edmund erbost hervor. „Glaubst du, die armen Misses Pritchard haben auch nur die geringste Chance, einen Ehegemahl zu finden, wenn jeder Mann nur Augen für dich hat? Kannst du vielleicht irgendetwas an meinem Jabot richten?“
Seine Worte trafen Julianna wie einen Schwall eisigen Wassers. Einen Augenblick lang verschlug es ihr die Sprache. Dann jedoch versetzte sie schnippisch: „Ich bin nicht dein Kammerdiener“, wandte sich brüsk um und verließ unter lautem Türkrachen das Zimmer.
Mit einer Flut bester hinterindischer Flüche riss sich Edmund die Perücke vom Kopf und schleuderte sie wutentbrannt in den Kamin, wo sie sofort in Flammen aufging.
Während der Fahrt zum Stadthaus der Pritchards am Hanover Square herrschte eine gewitterschwüle Stille in der Kutsche mit dem Wappen der Fitzhugh. Edmund und Julianna trafen im selben Augenblick wie Lord Marlwood und die verwitwete Countess of Sutton-Courtney in Begleitung eines gut aussehenden Fremden vor dem weit geöffneten schmiedeeisernen Eingangstor ein. Es war das erste Mal seit jenem Sommertag, dass sie Laurence Bayard wieder begegneten, und Edmund sah seinen Vetter fest in die Augen, um ihm auf diese Weise verständlich zu machen, dass er es ja nicht wagen sollte, das Wort an Julianna zu richten.
Vanessa, deren Interesse sich auf weitaus wichtigere Dinge richtete, merkte von dem Blickwechsel der beiden Männer nichts. „Julianna, diese wundervolle Frisur! Gesteht es nur, es ist Euch gelungen, Lady Ardmores französischen Coiffeur zu überreden. Das ist gar nicht nett von Euch. Ich habe es monatelang vergeblich versucht.“
Julianna befingerte selbstzufrieden eine der Strähnen an ihrer Schläfe. „Ich lasse niemanden an mein Haar außer Gwenyth. Es ist ihr Werk.“
„Das hat Eure kleine walisische Zofe gemacht? Nun, dann passt nur gut auf, dass ich sie Euch nicht vor der Nase wegschnappe. Der Mangel an guten Friseuren in der Stadt ist wirklich ein Skandal. Ach du lieber Himmel, Ihr habt mich so durcheinandergebracht, dass ich beinahe meine guten Manieren vergessen hätte.“ Sie nahm den Arm ihres Begleiters und machte sich zu einer eindrucksvollen Vorstellung bereit. „Darf ich Euch meinen guten Freund, Baron Felix von Auersberg, vorstellen. Wir haben uns in Paris kennengelernt, und vor Kurzem ist
Weitere Kostenlose Bücher