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Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Titel: Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Essling
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persönlich befreundet.
    Die Frau ist nämlich auch Witwe und hat einen Sohn, der Waldo heißt, und einen Sohn, der Michael heißt. Waldo ist schon vierzehn. Sein Bruder ist aber erst ein Jahr alt. Er ist ein pummliges Baby, das tagsüber, wenn es nicht gerade schläft, in einen Laufstall eingesperrt ist. Sein Papa ist auch Amerikaner.
    Frau Brinkmann sieht aber gar nicht aus wie eine Mutter. Sie ist sehr groß und hat helle, blonde Haare. Die sind ganz streng aus dem Gesicht gekämmt und im Nacken zu einem Knoten zusammen geschlungen. Sie kommt nicht aus unserer Gegend, ist aber auch kein Flüchtling. An ihren langen Fingern hat sie ein paar Ringe, die glitzern, wenn sie die Hände waagerecht ans Licht hält. Dann schließt sie ihre Augen bis auf einen schmalen Spalt und betrachtet sich das Gefunkel. Sie spricht auch so, wie kein Mensch in Kattenbach spricht, nämlich sehr vornehm. Waldo spricht genauso.
    Er ist so hübsch! Auch groß, mit hellen blauen Augen und hellbraunem Haar.
    Ich habe mal auf Michael aufgepasst, als Waldo und seine Mutter zum Einkaufen in der Stadt waren.
    Der Kleine war recht grantig. Entweder hat er gebrüllt oder gesabbert. Offensichtlich hielt er nichts von mir als Ersatzmutter.
    Immer wieder hat er nach seiner Mama gerufen. Ich habe es praktisch nur ausgehalten, weil ich mir zwischen seinen Schreianfällen ausgemalt habe, was ich mit dem Geld fürs Babysitten machen würde.
    Fünf Stunden war Frau Brinkmann weg. Als sie heimkam, haben sie und Waldo massenhaft Tüten geschleppt.
    Sie hat gefragt, ob Michael brav gewesen sei. „Aber ja“, habe ich gesagt. „Er ist so ein liebes Baby!“ Jetzt war Michael ja auch wieder brav. Frau Brinkmann hat sich vielmals bei mir bedankt und mir ein paar Münzen in die Hand gedrückt.
    Ich bin erleichtert heimgegangen. Als ich vor der Haustür stand und sicher vor Tante Mines Hunden war, hab ich das Geld gezählt. Es waren genau fünfundzwanzig Pfennig! Fünf Fünfpfennigstücke! Dafür gibt’s genau fünf Päckchen Brause oder zwei Dubble Bubbles und ein Päckchen Brause.
    Beim Bäcker habe ich mich aber doch für einen Negerkuss, eine Rolle Lakritze und fünf Päckchen Brause für zwei Pfennige das Stück, entschieden.
     
     

Wilde Küsse
    Wolfs haben einen Igel im Keller. Er soll da überwintern. Außerdem ist er im Keller vor den Hunden geschützt und diese vor ihm.
    Waldo wollte mir den Igel zeigen, aber er kam gar nicht richtig dazu. Kaum sind wir die Treppe runter gegangen, hat er mich geschnappt. Ich dachte erst, er will mich verhauen und hatte Angst, weil er doch viel älter und kräftiger ist als ich.
    Aber das wollte er gar nicht. Er hat sich nur auf die Kellertreppe gesetzt und mein Gesicht wie wild abgeküsst. Dabei hat er dauernd gesagt: „Du bist so süß, Du bist so süß!“ Es war ganz komisch. Ich habe ihm widersprochen, weil das noch nie jemand zu mir gesagt hat und dass das nur beweist, dass er mich nicht richtig kennt. Aber er hat gar nicht auf mich gehört und einfach weiter geküsst.
    Als ich endlich frei war, bin ich ganz schnell heimgerannt. Ich habe mich ganz komisch gefühlt. Irgendwie hat es mir ja gefallen, dass Waldo mich mag, aber ich habe mich sehr geniert.
    Jedenfalls kann ich ihn unmöglich wiedersehen.
    Paul und ich sind schon so lange Freunde, aber er wäre auf so was nie gekommen. Er ist halt ein ganz normaler Junge.
    Waldo ist auch normal, aber irgendwie doch anders. Er hat nie was Schmutziges an. Ich habe ihn auch noch nie rumrennen sehen. Er brüllt nicht so rum wie die anderen, wenn sie spielen. Überhaupt, ich glaube, er kann gar nicht spielen. Meine Mutter meint, Waldo würde sehr gepflegt sprechen. Wenn ich mit Paul im Garten spiele und Waldo war auch da, hat er höchstens da gesessen mit einem Schulbuch in der Hand. Dabei fielen mir seine sauberen Fingernägel auf. Ich habe meine betrachtet, die großen Trauerränder waren nicht zu übersehen. Dann habe ich Pauls Hände begutachtet. Zu meinem Trost waren sie noch schmutziger als meine. Da habe ich meine Fingernägel mal gründlich geschrubbt. Sie wurden sogar fast sauber. Aber als ich sie geschnitten hab, sind sie ganz eckig geworden.
    Paul kann Waldo nicht leiden. Ich bin froh, dass er nicht weiß, was auf der Kellertreppe passiert ist. Jetzt tue ich alles, damit ich Waldo nicht mehr begegne. Aber ich bemühe mich trotzdem, ihn zu sehen, aber heimlich, damit er nichts merkt. Denn sehen muss ich ihn, besonders seit den Küssen. Es ist auch ein schönes

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