Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?
denke halt nur, wie sie aussähen, wenn sie Köpfe, Arme und Beine hätten, kurzum, mehr menschlich wären. Mit einem Bleistift ist das alles kein Problem.
So machen auch Zahlen Spaß. Am schönsten kann man die Zwei, die Sechs, die Acht und die Neun herrichten. Ich bin in dieser Rechenstunde wirklich ganz in den Zahlen aufgegangen.
So kam es auch, dass ich kaum merkte, dass die Stunde zu Ende war. Da ging Herr Weiß doch tatsächlich rum und sammelte unsere Haushefte ein, um sie zu daheim zu korrigieren. In der Stunde hatte er dazu keine Zeit gehabt.
Ich versteinerte langsam. Wenn der meine Zahlenfiguren sieht, und keine Aufgaben drin! Schön habe ich die Zahlen ja gemacht. Ja, ich finde, es sind richtige kleine Kunstwerke draus geworden. Ob das Herr Weiß aber auch so sieht, bezweifle ich.
Morgen bin ich krank, dachte ich in meiner Not.
Aber daraus wurde nichts. Ich konnte meine Mutter mit keiner meiner Krankheiten überzeugen. Für Bauchweh gab’s Früchtewürfel, die ich so ekelerregend finde, dass es mir davon richtig schlecht wird. Für Kopfweh muss man eine Tablette schlucken und das hasse ich auch. Blieb nur noch eine Erkältung, aber ich hustete nicht überzeugend genug.
Kurz und gut. Ich bekam mein Rechenheft zurück. Als Herr Weiß alle Hefte schon ausgeteilt hatte, kam er zu mir. Er schlug die letzte Seite auf, zeigte auf die Zahlenmännchen und fragte wie nebenbei: „Sind das Deine Aufgaben?“ Ich sagte natürlich nichts, ich fühlte nur, wie ich rot wurde. Gleich darauf wurde ich noch röter, weil er mir das zerfetzte Heft mit einer Kraft, die ich ihm gar nicht zutraute, um die Ohren schlug.
Natürlich bildete ich jetzt auch noch den Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Da saß ich nun und hatte einen Kopf, der aussah wie ein angezündetes Streichholz. Ich trug es mit Fassung und heulte nicht. Nein, den Spaß gönnte ich niemand und am allerwenigsten dem Lehrer. Ich sagte auch nichts zuhause. Dann hätte ich ja auch erzählen müssen, warum Herr Weiß das gemacht hat. Es sollte nicht auch noch rauskommen, dass ich manchmal meine Aufgaben nicht mache.
Leben auf einem Pulverfass
Ich habe mit eigenen Augen gesehen, dass der freundliche Herr Martin vor Wut bald geplatzt ist. Das hätte ich nie für möglich gehalten.
Der halbe Ort war Zeuge, dass Herr Martin mit Polizeigewalt daran gehindert werden musste, seinen ältesten Sohn totzuschlagen. Herr Malek und ein richtiger Polizist aus der Stadt hielten ihn fest und stellten dem Peter gleichzeitig einige Fragen. Ein Militärpolizist von den Amis war auch dabei. Der nickte aber nur manchmal mit dem Kopf und brummelte so was wie „okay, okay“.
Das Ganze spielte sich vor dem Haus ab, in dem Oma Martin wohnt. Da dort drin auch Bollmanns wohnen und ich gerade bei Gila war, bekam ich alles mit.
Wir lehnten gemütlich aus dem Fenster, auch Frau Bollmann, die sich ganz weit runter beugte, damit sie ja kein Wort verpasste.
Peter setzte ein mühseliges Grinsen auf. So sah er aus wie ein aufgehender Vollmond. Er schien sich nicht ganz wohl in seiner Haut zu fühlen. Ich glaube auch, dass er weniger Angst vor dem Gefängnis hatte, als vor seinem Vater. Der immer wieder auf ihn losgehen wollte, je mehr sein Sohn gestand.
Und was er alles der Polizei erzählte! Da wurde Frau Bollmann noch nachträglich weiß wie eine frisch getünchte Wand.
In Oma Martins Keller fanden die Polizisten nämlich nicht nur Kartoffeln und Äpfel, sondern auch hochexplosive Munition. Und davon Unmengen!
Alle Bewohner des Hauses saßen buchstäblich seit Wochen auf Dynamit. Und das nur, weil Peter Martin für alle Fälle sein persönliches Waffenlager anlegen wollte. Zuhause hatte er dafür keinen Platz, außerdem hätten seine Eltern da was gemerkt. So hat er seine Oma gefragt, ob er in ihrem Keller sein Bastelzeug lagern dürfe. Da hatte die Oma nichts dagegen! Außerdem ist die alte Frau Martin fast blind. Auch wenn sie mal Kartoffeln raufholte, konnte sie nicht erkennen, dass die in einem Waffenarsenal lagerten.
Rausgekommen ist alles nur durch einen Zufall.
Frau Martin wollte sich was aus ihrem Keller holen, und weil sie kaum sieht, fummelte sie am Türschloss rum. Das sah Herr Krämer, der gerade in seinen Keller gehen wollte. Als hilfsbereiter Mensch schloss er Frau Martin die Tür auf und knipste auch noch das Licht an.
Da sah er die Pistolen, Handgranaten und all das Zeug. Ordentlich gestapelt und sortiert. Obwohl er erkannte, dass das alles
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