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Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?

Titel: Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Essling
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sei im gewissen Sinn auch eine Impertinenz von ihm gewesen, die Kinder ausgerechnet vor dem Depot zu fotografieren. Das würde ihm bestimmt nie wieder passieren.
    Ich habe in meinem Lexikon nachgesehen, was Impertinenz ist. Da stand ganz einfach „Unverschämtheit“. Na, wenn unser Lehrer selbst weiß, dass er unverschämt ist, dann verstehe ich so manches an ihm besser.
     

Ich glaube nicht mehr an Traubenzucker
    Es gibt welche, die bekommen eine Urkunde und es gibt welche, die bekommen keine. Ich meine die Urkunden bei den Bundesjugendspielen, die man ab vierzig Punkten bekommt. Die werden immer sehr feierlich überreicht, obwohl die Spiele alles andere als feierlich sind. Sie sind nur sportlich. Man muss schnell rennen, weit werfen und gut springen können. Das kann ich alles nicht. Also habe ich auch noch nie eine Urkunde bekommen. Mein Höchstes waren mal einundzwanzig Punkte.
    Das sollte sich ändern. Ich wollte auch mal vorne stehen und meinen Namen ehrenvoll erklingen hören. Alles, was ich dafür brauchte, war Kraft. Und Kraft ist Energie und die gibt Traubenzucker.
    Der große Tag kam. Wie üblich war’s kühl und wir schlotterten in unserem Turnzeug. Aber bei den Spielen würde uns schon warm werden. Sicher war ich aufgeregt, aber ich war auch gefasst. Denn heute würde ich’s schaffen. Ich hatte ja Energie gefrühstückt. Malzkaffee, ein halbes Marmeladenbrot und ein ganzes Päckchen Traubenzucker.
    Weil ich den Traubenzucker reingewürgt habe, ist mir schlecht geworden. So kam er wieder raus, aber nur die Hälfte. Das heißt, ein halbes Päckchen war noch in mir drin. Das ist aber auch schon eine Menge Energie.
    Beim Stapellauf stöhnte die Gruppe, der ich zugeteilt wurde. Ausgerechnet Gisi meckerte, dass sie verlieren würden, weil ich dabei bin. Da hat Ursel aber netterweise gesagt: „Dann musst Du eben schneller rennen!“ Naja, Gisi schafft meistens eine Urkunde, aber Ursel ist immer die Beste.
    Es ging vorüber, unsere Gruppe gewann. In der anderen hatten sie nämlich zwei, die so langsam wie ich sind.
    Beim Hundertmeterlauf startete ich mit klopfendem Herzen. Nach zehn Metern hatte ich Seitenstechen. Das allein war die Ursache, dass ich enorm zurückfiel und eine schlechte Zeit lief.
    So schlecht wie nie.
    Aber ich wusste ja, in mir wirkte die Kraft des Traubenzuckers. Also los, zur nächsten Disziplin.
    Das war Diskuswerfen. Ich holte gut aus und ließ den Diskus in meiner Hand kreisen, um ihn dann im richtigen Moment loszuschleudern. Er flog. Aber all meiner Energie zum Trotz nicht allzu weit.
    Naja, im Weitsprung war ich noch am besten. Ich stellte mich in die Warteschlange und freute mich, als Christel Schauer, die vor mir dran kam, übergetreten ist. Christel ist gut in Sport. Aber dafür in allen anderen Fächern nicht. Sie durfte den Sprung wiederholen. Da hat sie doch glatt drei Meter und achtzig geschafft. Ich habe es ihr nicht gegönnt.
    Jetzt musste ich mich aber auf mich selbst konzentrieren. Ich nahm Anlauf, stoppte am Brett und sprang kraftvoll in den Sandkasten. Zwei Meter und sechzig! So gut war ich noch nie. Irgendwas in mir jubelte, aber nicht lange. „Du bist übergetreten, der Sprung gilt nicht“, näselte Frau Kaiser, die die Weitsprünge überwachte. „Du hast noch eine Chance, auf, spring noch mal.“
    Leider musste ich meinen Zorn unterdrücken, man kann es nämlich beweisen, wenn jemand übertritt. Man sieht im Sand die Spuren. Also, jetzt kam es drauf an. Ich rannte und war voll darauf bedacht, ja rechtzeitig zu stoppen. Noch ein Mal sollte mir so was nicht passieren.
    Ich konnte wirklich rechtzeitig stoppen, hatte aber zu stark gebremst und daher keinen Schwung mehr. Im Sandkasten landete ich auf meiner Kehrseite und stützte mich auch noch hinten mit meiner Hand ab. Das wurde natürlich gemessen. „Ein Meter und zwanzig“, bemerkte Frau Kaiser gelangweilt.
    Mir war fast zum Heulen, denn zu all dem Pech hatte ich mir auch noch die Hand verstaucht. Für mich waren die Bundesjugendspiele zu Ende. Aber natürlich musste ich bis zum Schluss bleiben. Bis zur Siegerehrung.
    Bei der Siegerehrung erhielten diejenigen ihre Urkunden, die sie immer bekommen. Dann wurde die erreichte Punktzahl des Fußvolkes vorgelesen. Es war eine lange Reihe. Ich wurde am Schluss erwähnt.
    Ich hatte die bisher unerreichte Zahl von sieben Punkten erkämpft.
    Still verließ ich den Sportplatz.
    Ich glaube nicht mehr an Traubenzucker!
     
     

Bäche aus glühendem Stahl
    Der

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