Lockruf der Gefahr - Lockruf der Gefahr - Black Hills
mich viel Zeit kosten, aber wenn alles gutgeht, kann sie ihren Weg gegen Mittag fortsetzen, und ich habe, was ich wollte.«
»Und was bringt dir das?«
»Du meinst, außer Befriedigung?« Als die Sonne die östlichen Berge in rosarotes Licht tauchte, schwang sie sich in den Sattel. »Informationen. Der Puma gilt als bedrohte
Tierart. Die meisten Leute - und ich rede hier von Leuten, die in ausgewiesenen Puma-Lebensräumen wohnen - haben noch nie einen gesehen.«
»Die meisten Leute sind anders als du.« Er stieg ab und bot ihr einen Zwieback mit Speck an, den er zubereitet hatte.
»Ja, das stimmt.« Sie sah erst den Zwieback an, dann ihn. »Du hast Frühstück gemacht. Jetzt habe ich wirklich ein schlechtes Gewissen, schließlich wollte ich dich eigentlich gar nicht dabeihaben.«
»Das freut mich.«
»Wie dem auch sei« - sie nahm einen Bissen, während sie die Pferde wieder in Richtung Wanderweg lenkten - »meistens werden Luchse oder das ein oder andere Haustier gesichtet. Die Leute kaufen exotische Wildkatzen - und dann werden wir regelmäßig von solchen Käufern angerufen, weil sie nicht wissen, was sie tun sollen, wenn der Plüschtiger kein niedliches kleines Kätzchen mehr ist.« Sie nahm noch einen Bissen. »Aber meist sehen die Leute einen Luchs und denken - Hilfe, ein Puma! Und in den seltenen Fällen, in denen sie sich nicht irren, begreifen sie nicht, dass er nicht auf Menschenfleisch aus ist. Das Mädchen da oben wird sich fragen, wie sie nur in diese Falle geraten ist. Sie hat noch etwa acht, neun Jahre vor sich, wenn sie das durchschnittliche Lebensalter eines Weibchens in freier Wildbahn erreicht. Jedes zweite Jahr wird sie sich paaren und Junge bekommen, im Durchschnitt etwa drei. Zwei davon werden mit großer Wahrscheinlichkeit sterben, bevor sie ein Jahr alt sind. Sie wird sie füttern, sie bis aufs Blut verteidigen, ihnen das Jagen beibringen. Sie wird sie lieben, bis es Zeit wird loszulassen. In ihrem Leben wird sie durch
ein etwa zweihundertvierzig Quadratkilometer großes Revier streifen.«
»Und diese Streifzüge dokumentierst du mithilfe des Halsbandsenders.«
»Wo sie hingeht und wann, wie sie dahin kommt und wie lange es dauert. Wann sie sich paart. Ich mache eine Generationenstudie. Mit Babys Wurfgenossen und einem noch nicht ganz ausgewachsenen Männchen, das ich letztes Jahr im Canyon eingefangen und markiert habe, habe ich bereits zwei Generationen zusammen. Das hier wird die nächste.«
Sobald es der Pfad erlaubte, ließen sie ihre Pferde traben.
»Weißt du inzwischen nicht längst schon alles, was man über Pumas wissen kann?«
»Es gibt so viel über sie zu erforschen: die Biologie, die Verhaltensforschung, ihre Rolle im Ökosystem, ihre Verbreitung, ihre Lebensräume, ja sogar die Mythologie. Alles ist wichtig, und je mehr wir wissen, desto besser können wir diese Art schützen. Hinzu kommt das Spendensammeln. Unsere Spender wollen informiert bleiben und warten auf spannende Nachrichten. Ich werde dem neuen Mädchen da oben einen Namen geben und ein Foto von ihm auf unsere Website stellen. So trage ich dazu bei, dass seine Art weiterhin geschützt, erforscht und verstanden wird. Außerdem interessiert es mich.«
Sie sah Coop an. »Und ehrlich gesagt, kann man den Tag gar nicht schöner beginnen.«
»Ich habe schon Schlimmeres erlebt.«
»Frische Luft, ein gutes Pferd, eine Landschaft, für die viel Geld hingeblättert wird, um sie in Bildbänden bestaunen
zu können. Ein interessanter Job. Was will man mehr.« Sie legte den Kopf schief. »Das kann wahrscheinlich sogar ein Großstädter verstehen.«
»In der Stadt lebt es sich weder besser noch schlechter. Bloß anders.«
»Vermisst du sie? Deine Arbeit dort?«
»Ich mache, was ich will. Genau wie du.«
»Das ist wichtig. Und du kannst das gut. Mit den Pferden arbeiten …«, fügte sie erklärend hinzu. »Das konntest du schon immer.« Sie beugte sich nach vorne und streichelte den Hals ihres Wallachs. »Wir müssen immer noch über den Preis verhandeln, aber du hattest recht: Rocky passt zu mir.«
Sie runzelte die Stirn und verlangsamte das Tempo. »Da ist er wieder, unser Freund.« Sie zeigte auf die Spuren. »Er ist hier auf den Pfad gestoßen. Weit ausholende Schritte. Gerannt ist er nicht, aber zügig gelaufen. Was hat er bloß vor?« Ihr Herz machte einen Sprung. »Er läuft in Richtung Grasland. In Richtung Puma.«
Noch während sie das sagte, zerriss ein Schrei die Luft und hallte von den Bergen wider.
Weitere Kostenlose Bücher