Lockruf Der Leidenschaft
du sie nennst, Polly, sind aber nun einmal der übliche Sport in Whitehall. In Wahrheit sind sie sogar de rigueur, werden also geradezu erwartet, und deshalb wirst auch du lernen müssen, sie mitzuspielen. Das Einzige, was du nicht tun darfst, ist, auf mich loszugehen wie eine Furie und dann zu verlangen, dass ich dich auf der Stelle nach Hause bringe.«
»Aber das war die einzige Möglichkeit, die mir einfiel, um dein ... dein Spiel mit dieser ... Oh, mir fällt einfach kein passendes Wort für sie ein«, erklärte Polly voller Abscheu. »All die Farbe und der Puder. Aber wie auch immer - am Ende hast du mich ja doch nicht nach Hause gebracht«, fügte sie hinzu, und in ihrer Stimme schwang die Erinnerung an ihren Groll mit.
»Nein, natürlich nicht. Wenn ich mich deiner unüberlegten und aufdringlichen Forderung gefügt hätte, hätte ich uns doch nur beide lächerlich gemacht.«
»Aber du hättest mir auch nicht mit so gelangweilter Stimme zu sagen brauchen, dass ich wohl einen anderen Begleiter finden muss, weil du gerade so herrlich beschäftigst bist!« Polly blickte ihn durch den Spiegel finster an. »Herrlich beschäftigt, Mylord, mit Eurer Nase in ihrem Busen!« Sie gestikulierte wild, als könnte sie damit die unliebsame Erinnerung an jene Szene auslöschen. »Schämt Euch, mein lieber Sir, was für ein unerhörter Schwerenöter Ihr doch seid!«, imitierte sie besagte Dame, klimperte kokett mit ihren langen Wimpern und faltete die Hände vor der Brust. »Und in der Tat, mir fällt da noch manch andere herrliche Beschäftigung ein. Euch nicht auch, Lord Kincaid?«
Im nächsten Atemzug, noch ehe Nick die Verwandlung, die Polly vollzogen hatte, begriff, fuhr sie mit einer Stimme fort, die höchst unangenehm nach seiner eigenen klang, den Blick wie gebannt auf eine imaginäre Person gerichtet. »Hochverehrte Dame, in der Tat, sogar eine Vielzahl herrlicher Beschäftigungen, wenn ich solch makellose Reize vor mir sehe.«
»Du kleine Xanthippe!«, schimpfte Nick anerkennend. »Habe ich wirklich so geklungen?«
»So habe ich es zumindest verstanden«, entgegnete Polly unbeteiligt und verknotete das Band im Nacken. »Und es hörte sich geradezu unfassbar lächerlich an.«
»In dem Fall verstehe ich aber nicht, warum du eine solche Szene gemacht hast.« »Ich habe keine Szene gemacht, sondern nur darum gebeten, nach Hause zu fahren.«
»Nun ja, darüber sollten wir wohl besser nicht weiter diskutieren«, entgegnete Nick streng. »Aber so etwas passiert nicht noch einmal. Hast du verstanden? In Whitehall gehen wir getrennte Wege. Ich werde dich nicht auf Schritt und Tritt überwachen, und du wirst dich nicht dabei erwischen lassen, wie du mich überwachst. Mittwoch war der erste Tag, an dem du dich bei Hofe gezeigt hast, seit der König dich in seine Theaterkompanie aufgenommen hat, deshalb wird man dir diese Indiskretion verzeihen, aber kein zweites Mal. Verstanden, Liebes?« Polly nagte an ihrer Unterlippe. »Ich möchte nicht mehr darüber sprechen. Richard hat mich danach in diesen schrecklichen Salon geschleppt, in dem nur alte Damen saßen, die sich über langweilige Dinge unterhalten haben. Und dann hat er mich auch noch seiner Tante vorgestellt. Es hat Stunden gedauert, ehe ich verschwinden konnte. Ich dachte schon, ich müsste vor Langeweile sterben. Und du hast seitdem ständig nur mit mir geschimpft.« »Ich verlange dein Wort darauf, dass du dich künftig so betragen wirst, wie Richard und ich es dir erklärt haben.« »Kühle Indifferenz, aber gewiss doch.« Polly erhob sich und strich ihren Rock glatt. »Ihr sollt schäkern, mit wem Ihr wollt, Mylord. Ich werde mich eben im Privaten rächen.« Sie neigte den Kopf ein wenig und lächelte zu ihm auf. Alle Verärgerung und aller Trotz waren mit einem Mal verschwunden. »Nick, wenn es so wichtig für dich ist, werde ich mein Bestes geben. Aber es ist sehr schwer für mich, diese Art Empfindungen zu verbergen.« »Ja, Liebes, das weiß ich doch. Aber auf deinen Schultern sitzt doch ein kluges Köpfchen, und du besitzt das Geschick einer Schauspielerin. Du wirst dich schon entsprechend verstellen können.«
Das kann ich, allerdings, dachte Polly, als sie das Haus verließen und auf die Kutsche zugingen, die bereits vor der Haustür auf sie wartete. Dennoch erschienen ihr seine Anweisungen reichlich albern. Aber wie auch immer, Polly genoss ihr neues Leben viel zu sehr, um es wegen einer Verpflichtung, die Nick für unbedingt notwendig hielt und die
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