Lockruf Der Leidenschaft
im Grunde recht einfach zu erfüllen war, aufs Spiel zu setzen.
Seit ihrem Debüt in Moorfields waren mittlerweile vier Wochen vergangen. Zwei Wochen später hatte Thomas erstmals Die rivalisierenden Damen im Theatre Royal aufführen lassen, wo Polly vor dem König gespielt hatte. Nach der Vorstellung war dieser mit seinen Höflingen hinter die Bühne gekommen, hatte ununterbrochen gelächelt, ihr ein Kompliment nach dem anderen gemacht und sie schließlich nach Whitehall eingeladen, wann immer Master Killigrew nicht ihrer Dienste bedurfte. Somit war Polly also ein Mitglied der königlichen Theatertruppe geworden. Doch in Whitehall konnte man nicht ohne vorschriftsmäßige Hofkleidung erscheinen, deren Beschaffung einige Zeit in Anspruch genommen hatte. Vor zwei Tagen hatte Nick Polly zum Palast begleitet, wo sie ihren ersten Auftritt in den Galerien und Salons gehabt hatte, in denen es vor Menschen nur so wimmelte. Doch um ein Haar hätte sie sich und Nick der Ungnade preisgegeben, als sie diesem in diesen Kreisen so unpassenden Impuls nachgegeben hatte ...
»Wir sind da«, sagte Nick und unterbrach Pollys Gedanken. »Ich werde dich bis in die Lange Galerie begleiten, von da an musst du allein zurechtkommen. Aber es wird dir an Bewunderern gewiss nicht fehlen.« »Immer vorausgesetzt, dass ich deren Unterhaltung überhaupt wünsche«, entgegnete Polly, wenn auch ohne den schneidenden Unterton, der zuvor in ihrer Stimme gelegen hatte.
Nick lächelte und reichte ihr die Hand, als sie aus der Kutsche stieg, die im Großen Hof angehalten hatte. Anschließend flanierten sie mit dem angemessen würdevollen Auftreten durch die Korridore des Palasts. Niemand im Palast bemerkte mehr die üblen Gerüche, die von den Nachttöpfen ausgingen, die an strategisch günstigen Orten, wie etwa hinter einem Wandschirm oder in dunklen Ecken, aufgestellt waren. Darüber hinaus gab es zahllose Hunde, die sich balgten, übereinander purzelten, sich knurrend um einen Knochen stritten oder unter den Rock liefen, was sie zu einer stets präsenten Stolperfalle machte.
Mit einem großen Schritt wich Polly einem jungen Cockerspaniel aus und raffte ihre Röcke, um die Berührung mit einem Häufchen zu vermeiden, von dem sie lieber nicht wissen wollte, worum es sich handelte, ehe sie in die Lange Galerie trat.
»Oh, Mistress Wyat, Ihr seid gekommen, um uns, die wir in der Dunkelheit leben, das strahlende Licht der Sterne zu vergönnen«, wurde sie von einem mit Bändern herausgeputzten und mit Ringen geschmückten Gentleman mit einem beträchtlichen Leibesumfang und hochrotem Gesicht begrüßt.
»Aber, aber, Sir John, ich bin allein deshalb gekommen, um in Eurem Mondlicht zu baden.« Polly ließ ihren Fächer aufschnappen, und in ihren Augen erschien ein einladendes Funkeln, als sie in einen koketten Knicks versank, ihre Hand auf den dargebotenen Arm legte und davonschwebte, sodass Lord Kincaid sich selbst überlassen blieb. Vom gegenüberliegenden Ende des Salons wurde sie unterdessen einer strengen Musterung unterzogen. »Eine höchst außergewöhnliche Schönheit.« König Charles blickte zu Mistress Polly Wyat hinüber, die von einem Kreis bewundernder Höflinge umringt war. In diesem Augenblick tanzte ein Lichtstrahl der Märzsonne spielerisch über den honigfarbenen Fluss ihres Haares, das sich über ihre Schultern ergoss, die sich in cremefarbener Vollendung aus den duftigen Spitzenvolants am Dekollete ihres Kleides erhoben. »Und sie steht unter Kincaids Schutz, oder wie sagtet Ihr, George?«
»So habe ich es zumindest verstanden, Sir«, erwiderte der Herzog von Buckingham und nahm scheinbar gedankenverloren eine Prise Schnupftabak ein. »Er scheint allerdings nicht sehr auf sie Acht zu geben.« Die Lippen von George Villiers kräuselten sich zu einem angedeuteten Lächeln.
Der König warf seinem Gesprächspartner einen kurzen Seitenblick zu und lachte leise. »Aber auch Ihr habt da bereits so Eure Absichten, habe ich Recht, George? Und ich muss sagen, ich kann es Euch noch nicht einmal verdenken. Auch ich würde mein Glück versuchen, wenn mich die Damen nicht bereits so bedrängen würden.« Der König seufzte und tupfte sich die Lippen mit einem spitzenverbrämten Taschentuch ab. »Ich schwöre Euch, George, wenn nicht gerade Mrs. Stewart meiner lieben Lady Castlemaine nach dem Leben trachtet, ist es umgekehrt. So etwas kann das Interesse eines Mannes am schönen Geschlecht gründlich ruinieren.« »Aber doch nicht in Eurem
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