Lockruf Der Leidenschaft
betrachtete sie skeptisch, doch in seinen Augen tanzte bereits wieder ein kleines Lächeln. »Du wächst mir langsam über den Kopf, kleine Polly«
»Ich werde erwachsen, Mylord«, erwiderte Polly und blickte ihm fest in die Augen. »Ich übernehme selbst die Verantwortung für mich.«
»Ja«, stimmte Nicholas gedehnt zu. »Das war auch unvermeidlich, und langsam finde ich sogar Gefallen daran.« Polly schlang Nicholas die Arme um den Hals. »Aber ich bin schon seit Jahren erwachsen, mein Liebling.« Sie streifte mit den Lippen über seinen Mund. »In jeder Beziehung, die wichtig ist.«
Nick lachte und ließ die Finger durch ihr Haar gleiten. »Ja, in Wahrheit«, spottete er, »bist du schon ein altes Weib. Verrunzelt und buckelig, niedergedrückt von der Last der Erfahrung - Aua! Lass das!« Mit gespielter Entrüstung drückte er sie auf das Bett zurück, doch Polly drängte sich verlangend an ihn, ihr Mund hungrig auf dem seinen. Sie ließ ihre Hände über seinen Rücken gleiten, umfasste in einer schroffen Forderung seine Hinterbacken. Nick schob ihr Hemd nach oben und antwortete mit seinem eigenen jähen Hunger nach ihr. Sie kamen zusammen, verschmolzen miteinander, klammerten sich aneinander, verloren in einem Augenblick der rohen Leidenschaft, die alles andere ausschloss. Einer Leidenschaft, die nur das Bedürfnis zuließ, sich ineinander zu verlieren im wilden, reißenden Mahlstrom reinen, unverfälschten Empfindens.
Später schlief Polly erschöpft und friedlich in Nicholas' Armbeuge ein, während er noch eine Weile wach dalag, in die Dunkelheit starrte und versuchte, eine rationale Erklärung für die düstere Vorahnung zu finden, die ihn beschlichen hatte, nachdem der Taumel körperlicher Glückseligkeit allmählich verebbt war.
Hewlett-Packard
13.
»Wo seid Ihr heute Morgen nur mit Euren Gedanken, Polly?«, fragte Killigrew am nächsten Tag ein wenig verwundert, als Polly zum zehnten Mal bei ihrem Text ins Stocken kam. »Gestern habt Ihr diese Zeilen doch noch perfekt beherrscht.«
»Ich glaube, ich habe sie vergessen«, erwiderte Polly entschuldigend und trat an den Rand der Bühne. »Würdet Ihr mir bitte ein wenig Zeit geben, damit ich sie mir noch einmal einprägen kann?« Polly lächelte Killigrew an, in Wahrheit jedoch zielte das Lächeln über dessen Kopf hinweg auf jene Stelle, wo der Herzog von Buckingham im dämmrigen Licht des Zuschauersaals saß. Doch Seine Gnaden war an diesem Morgen nicht der einzige Höfling im Theater. Den Proben beizuwohnen war eine der Lieblingsbeschäftigungen all jener, die etwas für die Schauspielerei übrig hatten, und oft engagierten sie sich sogar selbst in der Kunst des Schauspielens. Thomas seufzte. »Ich schätze, mir wird nichts anderes übrig bleiben, schließlich erreichen wir nichts, wenn Ihr weiter so stottert.«
Polly raffte ihre Röcke und verließ leichtfüßig die Bühne. »Könnten Euer Gnaden mir wohl ein wenig assistieren?« Sie ließ Villiers in den vollen Genuss ihres betörenden Lächelns kommen. »Wenn Ihr den Text mit mir lesen könntet, Sir, fiele mir diese Aufgabe wohl wesentlich leichter.«
Buckingham erhob sich augenblicklich. »Ich kann mir nichts vorstellen, was mir größeres Vergnügen bereiten würde, Mistress Wyat.«
»Dann schlage ich vor, wir ziehen uns in die Garderobe zurück, wo wir ein wenig ungestörter sind.« Polly wandte sich wieder zur Bühne um, ohne den Blick von Buckingham zu wenden. Es war keine unübliche Dienstleistung, um die sie ihn bat. Im Grunde genommen war es sogar eine Hilfestellung, die jene Herren, die vom Theater und seiner Schauspielertruppe hingerissen waren, nur allzu gern leisteten. Doch war dies das erste Mal, dass Mistress Wyat die Hilfe von jemand anderem erbat als von ihrem Gönner.
Buckingham hielt seine Befriedigung tunlichst verborgen. Es lief genau so, wie er es erwartet hatte. Sie hatte offenbar beschlossen, dass es nun an der Zeit war, auf der gesellschaftlichen Leiter emporzuklimmen, und signalisierte ihm auf subtile Art und Weise ihre Bereitschaft, das Angebot, das er ihr am Vorabend unterbreitet hatte, anzunehmen.
Er ließ sich auf dem mit Schnörkeleien verzierten Sofa in der Garderobe nieder und lehnte sich in einer eleganten Pose in die Polster zurück. »Ich fühle mich geehrt, auserwählt worden zu sein, meine Liebe.« Polly zauberte ein feines, mysteriöses Lächeln auf ihr Gesicht, das so manche Verheißung in sich barg. »Wenn Ihr die andere Rolle lesen könntet, Mylord,
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