Lockruf Der Leidenschaft
Verständnis für die politischen Zusammenhänge besitzen, abgesehen davon, dass es sie wahrscheinlich ohnehin nicht interessiert, versucht man bei diesen Gelegenheiten nicht, irgendetwas zu vertuschen. Wenn du also weißt, wonach du Ausschau zu halten hast, wirst du es dort finden.«
»Und du wirst mir sagen, wonach ich Ausschau halten soll?« Polly saß vor dem Spiegel und begann ihr Haar zu kämmen. Diese automatischen Bewegungen halfen ihr dabei, sich allmählich ein wenig zu beruhigen.
Nick trat hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern.
»Wir werden dich ganz genau unterrichten, wonach du Ausschau halten solltest, Polly Trotzdem ist es nicht zu spät, die Angelegenheit zu stoppen. Du musst es nur sagen.« Polly fing seinen Blick im Spiegel auf und sah ihm in die Augen, in denen ein ruhiger und entschlossener Ausdruck lag. Wie lange schon hatte er diese Rolle für sie vorgesehen? Seit Buckingham Interesse an ihr gezeigt hatte? Oder schon vorher? Diese Frage ließ Polly einfach keine Ruhe, auch wenn sie sie aus Angst vor der Antwort nicht auszusprechen wagte.
»In Wahrheit unterscheidet sich das Ganze gar nicht so sehr von der Rolle, die ich zuvor schon gespielt habe«, erklärte Polly und wandte den Blick wieder ab. »Ich habe den Lockvogel bereits gespielt -«
»Das ist doch damit nicht zu vergleichen!«, rief Nick, dessen Selbstbeherrschung aufrichtiger Verärgerung wich.
»Wie kannst du nur einen solchen Unsinn daherreden und einen so dummen Vergleich ziehen?«
Polly zuckte die Achseln und ließ die Frage unbeantwortet. Für sie gab es da durchaus Parallelen, auch wenn Nick sie offenbar nicht erkennen konnte. Sie schob ihr Haar unter eine mit Spitze gesäumte Haube und erhob sich.
»Wenn ich mich nicht verspäten will, sollte ich mich jetzt besser beeilen.«
»Ich begleite dich noch bis zum Theater, doch dann muss ich mich mit Richard und den anderen beratschlagen«, erklärte er kurz angebunden. »Und wenn dir etwas daran liegt, dass weiterhin Frieden zwischen uns beiden herrscht, verkneifst du dir diese Art Bemerkung künftig lieber.« Damit eilte er aus dem Schlafzimmer, nahm Hut und Handschuhe und wartete mit zusammengepressten Lippen an der Tür auf Polly Schweigend gingen sie zum Theatre Royal. Es war ganz so, als hätte diese Verschwörung, diese Partnerschaft, die sie im Grunde nur noch enger hätte aneinander schweißen sollen, stattdessen eine Mauer zwischen ihnen errichtet und eine Atmosphäre gereizter Anspannung erzeugt, wo zuvor Lachen und Liebe geherrscht hatten. »Wirst du heute Nacht bei mir bleiben?«, fragte Polly, als sie vor dem Theater standen. Sie blickte zu ihm auf, das Gesicht umrahmt von der schlichten, in Blau und Weiß gehaltenen Haube, und wieder einmal war Nicholas von ihrer Schönheit geradezu überwältigt. Die Vertrautheit, die mittlerweile zwischen ihnen erwachsen war, konnte die Wirkung ihrer Schönheit nicht im Geringsten dämpfen.
»Ich möchte gern, dass wir diese letzte Nacht, ehe die Sache ernst wird, nur für uns haben«, erklärte sie mit sanfter Stimme.
Kincaid nickte. »Nach der Vorstellung gehen wir zum Abendessen ins French House, das du so gerne magst. Dort sollst du den besten Rheinwein mit Hummer und Lampretenpastete bekommen.«
»Und Quarktörtchen«, fügte Polly hinzu und trug damit ihren Teil zu seinem Bemühen bei, die gewohnte humorvolle Ungezwungenheit zwischen ihnen wiederherzustellen.
»Und Quarktörtchen«, stimmte Nick mit gespielter Feierlichkeit zu. »Und danach...«
»Und nachdem du mich so schamlos mit all meinen Lieblingsspeisen in meinem Lieblingsrestaurant versorgt hast, sollst du mit mir tun dürfen, was du willst.« »Ganz genau.«
»Schande über Euch, Mylord!«
Für einen Augenblick standen sie, umfangen vom Zauber dieser Verheißung, reglos da und lasen so mühelos in den Augen des anderen, dass Worte überflüssig waren. Schließlich räusperte Nick sich und brach den Bann. »Und jetzt geh«, sagte er. »Mit Trödlern macht Thomas für gewöhnlich kurzen Prozess.« »Ja.« Polly wandte sich zur Tür um. »Bis heute Nachmittag, Mylord.«
Nick blickte ihr nach, wie sie im Theater verschwand, ehe er zur Pension zurückkehrte, um sein Pferd zu holen. Warum sagte Polly nur so etwas? Mit Sicherheit nur, weil sie vermutete, dass er in Bezug auf sie schon die ganze Zeit Hintergedanken gehabt hatte. Aber Richard hatte gesagt, dass in dem Gespräch, das er mit Polly geführt hatte, keine derartigen Bemerkungen gefallen
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