Lockruf Der Leidenschaft
ohne jede weitere Verzögerung annehmen musste.
Es ergab sich, dass der Bursche der Bensons nicht allzu weit zu gehen brauchte, um die Nachricht zu überbringen. Denn als er die St. Martins Lane entlangtrottete, erblickte er zufällig Lord Kincaid auf seinem temperamentvollen kastanienbraunen Wallach.
»M'lord ... M'lord ...« Atemlos rannte der Junge auf die kopfsteingepflasterte Fahrbahn.
Sulayman kam brav zum Stehen, und sein Reiter blickte auf den keuchenden Gassenjungen hinunter. »Ist irgendetwas passiert?«, fragte er erschrocken.
»Ich glaube nicht, M'lord.« Der Junge blickte ihn ein wenig verwundert an. »Nur dass Mistress Wyat mich losgeschickt hat, um Euch so schnell wie möglich aufzufinden.«
»Ein Auftrag, dem du ja auch außerordentlich schnell nachgekommen bist.« Kincaid lachte und griff auf der Suche nach einer Münze in seine Tasche. »Hier, für deine Schnelligkeit und die Aufregung.« Damit ließ Nicholas den Jungen stehen, der die unerwartete reiche Gabe nachdenklich betrachtete und sich zu fragen schien, was er sich aus der Fülle an Freuden am besten mit seinem Sixpence-Stück kaufen sollte.
Nicholas fand Polly in nur halb angekleidetem Zustand ruhelos zwischen dem Salon und dem Schlafzimmer hin- und herwandernd. Sue hatte ihren Versuch inzwischen aufgegeben, sie solange zum Stillstehen zu bewegen, dass sie ihr Korsett schnüren konnte. Stattdessen hatte sie sich bescheiden wieder ihrer ursprünglichen Beschäftigung zugewandt und untersuchte den Inhalt von Pollys Kleiderschrank auf seine Unversehrtheit hin, wobei sie sich dann und wann einen kurzen Ausruf des Entzückens angesichts der Pracht der Garderobe erlaubte. »O Nick, da bist du ja endlich«, begrüßte Polly ihn, als er zur Tür hereinkam.
»So lange war ich nun auch wieder nicht weg«, entgegnete Nicholas lächelnd, warf seinen Hut auf einen Stuhl und zog die Handschuhe aus. »Ich war ohnehin auf dem Weg hierher, als dein Laufbursche in der St. Martins Lane auf mich zugestürmt kam. Was soll die ganze Aufregung? Warum bist du um diese Uhrzeit noch nicht angezogen?« »Das hab ich ja versucht, M'lord«, meldete sich Sue zu Wort, als sei Pollys unbekleideter Zustand auf irgendeine Art von Pflichtversäumnis ihrerseits zurückzuführen.
»Oh, aber es ist doch nicht deine Schuld, Sue«, entgegnete Polly ungeduldig. »Ich kann mich schließlich auch ohne fremde Hilfe ankleiden. Das habe ich schließlich praktisch die ganzen letzten siebzehn Jahre getan.« »Und warum heute Morgen nicht?«, fragte Kincaid. »Hat man dich heute von deiner Anwesenheit bei den Proben entbunden? Es ist schließlich schon fast zehn Uhr.«
»Ich habe Neuigkeiten«, sagte Polly und wandte sich zum Schlafzimmer um. »Und ich dachte, dass ich sie dir schleunigst mitteilen sollte.«
»Dann erzähl mir davon, während du dich ankleidest«, erwiderte Nick, folgte ihr ins Schlafzimmer und schloss die Tür. »Was hat dich denn so aufgewühlt, Liebes?«
»Natürlich geht es um Buckingham.« Polly griff nach ihrem Korsett und wandte Nicholas in stummer Bitte den Rücken zu. Brav zog er die Bänder durch die Ösen und lauschte unterdessen Polly, die ihm vom Geschenk des Herzogs, von der Einladung und ihrer Reaktion darauf berichtete.
»Morgen Abend?«, fragte Nicholas. »Ich habe neulich bei Hofe schon einmal von dieser Zusammenkunft gehört. Das wird eine von Buckinghams lärmenden Festlichkeiten sein - die vergnüglichen Abende, die er regelmäßig für seine engsten Freunde veranstaltet.« Er runzelte die Stirn. »Aber du wirst trotzdem nicht die einzige Frau dort sein, mein Herz.«
»Dann sind Frauen also ein Teil dieser Vergnügungen?« Polly trat in ihr auf dem Boden ausgebreitetes Kleid. Sie gab sich keinerlei Illusionen darüber hin, was Nick mit dieser Bemerkung wohl gemeint hatte.
»Ja«, erwiderte er gedehnt. »Aber es sind auch immer einige Frauen dabei, die nur Gäste sind.«
Solche, die die Aussicht auf diese Art von Unterhaltungsprogramm nicht als abstoßend empfinden würden. Polly nickte nachdenklich. Von diesen Damen gab es am Hof mehr als genug. »Werde ich denn deiner Ansicht nach die Gelegenheit haben, ein paar Eindrücke zu gewinnen, die von Bedeutung sein könnten?«
»Zweifellos«, antwortete Nick. »Es sind genau diese Zusammenkünfte, zu denen keiner Zutritt hat, außer eben seine engsten Freunde und diejenigen, die er zu ihrer Zerstreuung engagiert hat«, fügte er hinzu. »Aber da diese Unterhaltungskünstler keinerlei
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