Lockruf Der Leidenschaft
Handgelenk loszulassen. »Dann tut es mir sehr Leid, Sir, aber ich war mir nicht bewusst, dass ich hier unter Zwang stehe.« Sie blickte ihm unverblümt in die Augen und sah, wie ein kurzer Schatten der Verwunderung über das gewöhnlich ausdruckslose Gesicht huschte, während ein Anflug von Unsicherheit in seinen Augen aufflackerte. Der Herzog hatte geglaubt, das Spiel und dessen Regeln verstanden zu haben, doch nun war er sich seiner Sache nicht mehr ganz so sicher. Schließlich ließ er Pollys Handgelenk wieder los und vollführte eine tiefe Verbeugung; »Ich bin untröstlich, dass Ihr schon gehen wollt, Madame, doch ich verstehe, dass ich Euch gegenüber keinerlei Ansprüche besitze, wie sehr ich es mir auch immer wünschen mag.«
»Sie müssen verdient werden, Sir«, antwortete Polly Noch deutlicher konnte sie es ihm nun wirklich nicht mehr zu verstehen geben. Wenn er es richtig anstellte, sollte er bekommen, was er sich wünschte. Dabei lag es nun allerdings an ihm, den richtigen Weg zu entdecken.
Noch einmal verbeugte sich der Herzog vor ihr. »Dann will ich mich bemühen, genau das zu tun, meine Rose.« Damit winkte Buckingham einen Pagen heran. »Hol eine Sänfte für Mistress Wyat.« »Danke, Sir, aber das ist nicht nötig. Mein Kutscher wartet bereits auf mich.«
Falls das den Herzog von Buckingham erstaunte, ließ er es sich zumindest nicht anmerken. »Dann erlaubt mir, Euch zu Eurer Kutsche zu geleiten.«
Der Herzog half Polly, in Kincaids elegante Kutsche zu steigen, und blieb noch einen Moment lang in der Auffahrt stehen, um dem davonfahrenden Gefährt nachzuschauen. Diese hier würde er sich nicht so leicht und billig erkaufen können. Sie hatte ganz offenbar eine sehr genaue Vorstellung von ihrem Wert und würde sich keinesfalls für weniger hergeben. Nun, Seine Gnaden von Buckingham konnte das akzeptieren. Er musste sich also wohl daranmachen, sie zu umwerben. Zwar war dies ein ganz neues Spiel für ihn, doch er sah keinen Grund, warum nicht auch er seinen Gefallen daran finden sollte. Mit einem Lächeln wandte er sich wieder zum Haus um. »Am Fenster zu stehen und hinauszustarren wird ihre Rückkehr auch nicht beschleunigen, Nick«, bemerkte De Winter.
»Ja, das weiß ich.« Nick wandte sich wieder vom Fenster ab und griff nach seinem Weinglas, das auf der Anrichte stand. »Aber ich finde einfach keine Ruhe, Richard.«
»Es wird ihr schon kein Leid geschehen«, versicherte Richard. »Es ist nur eine Abendgesellschaft. Bei einer solchen Gelegenheit kann Buckingham doch nichts von ihr erzwingen. Und wenn sie zu dem Entschluss gelangen sollte, dass sie diese Rolle doch nicht spielen kann, wird sie auch jederzeit wieder gehen können. Dadurch hätten wir zwar nichts gewonnen, aber auch nichts verloren.«
Nick runzelte sorgenvoll die Stirn. »Ich fürchte, sie hat sich inzwischen völlig in diese Angelegenheit verbissen, Richard, und nun wird sie sie auch zu Ende bringen.« Er ging eine Weile ruhelos hin und her, ehe er abrupt stehen blieb. »Hast du auch gerade eben eine Kutsche gehört?«
Richard ging zum Fenster hinüber, riss es auf und spähte in die Dunkelheit hinaus. »Du hast gute Ohren, mein Freund. Gerade eben ist eine Kutsche um die Ecke gebogen.«
Nick trat neben ihn, und Richard spürte, wie die Anspannung von seinem Freund wich, als die Kutsche mit der unverwechselbaren Silhouette von John Coachman auf dem Bock vor der Haustür zum Stehen kam. Nick widerstand der Versuchung, zu Polly hinunterzulaufen. Stattdessen wollte er zusehen, wie sie sich verhielt, solange sie sich noch unbeobachtet glaubte. Ihm gegenüber würde sie womöglich nur etwas vorspielen - jene Rolle, von der sie dachte, dass er sie von ihr sehen wollte -, und er war sich nicht sicher, ob er ihre Vorstellung von der Realität würde unterscheiden können. So geschickt war sie mittlerweile geworden.
Der Kutscher öffnete die Tür, klappte das Trittbrett herunter, und Polly trat in den breiten Streifen Licht, der aus dem Fenster im Obergeschoss fiel. »Vielen Dank, John Coachman. Ich hoffe, es war nicht allzu langweilig für Euch, auf mich zu warten.« Pollys klare Stimme drang durch das geöffnete Fenster, ehe ihr Blick nach oben wanderte, als hätte ihn etwas magisch angezogen.
»Seid Ihr immer noch wach, Mylord?« In ihrer Stimme schien ein ganz leichter, etwas neckender Ton mitzuschwingen. »Ich war davon ausgegangen, dass Ihr schon seit mindestens einer Stunde im Bett wärt... und auch Lord De Winter.«
Im
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