Lockruf Der Leidenschaft
Nachbarhaus wurde ein Fenster aufgerissen, und ein lautstarker Protest erfüllte die Dunkelheit. Schuldbewusst legte Polly einen Finger an die Lippen und riss in gespieltem Entsetzen die Augen auf.
»Komm rein«, flüsterte Nick und fragte sich, wie sie ihn selbst in einem solchen Augenblick schon wieder zum Lachen reizen konnte. Er trat zur Salontür, um dort auf Polly zu warten.
Mit raschen Schritten kam sie die Treppe heraufgeeilt und warf sich in seine Arme. Sie zitterte wie Espenlaub, und augenblicklich erlosch jegliches Bedürfnis zu lachen. Stattdessen hielt Nicholas sie fest und spürte, wie zart und zerbrechlich sie in Wahrheit war - unter ihrer eleganten Garderobe, der Rüstung, die ihr Korsett bildete, und den vielen Stoffschichten ihrer Unterröcke.
»Was ist denn los, Liebes? Bist du verletzt?« Unter Qualen flüsterte er diese Frage in ihr Ohr, während er ihr über den Rücken streichelte und Polly sich zitternd gegen ihn lehnte.
»Nein ... nein ... nicht verletzt«, presste sie schließlich mühsam hervor. »Es wird funktionieren, denke ich, aber ... ich war mir nicht darüber im Klaren, wie schwer es sein würde, Nick. Es ist noch tausendmal schlimmer, als Theater zu spielen.«
Nicholas zog Polly vollends in den Salon und schloss leise die Tür hinter ihr. »Und mehr ist nicht passiert? Die Erkenntnis, dass die Aufgabe ein hartes Stück Arbeit war?«
»Wenn es nur das wäre, einfach nur die Rolle zu spielen, wäre es nicht so schwierig«, entgegnete Polly, in deren Stimme immer noch ein leichtes Beben lag, obwohl ihre Glieder inzwischen zu zittern aufgehört hatten. »Oh, vielen Dank, Richard.« Polly nahm das Glas Bordeauxwein entgegen, das er ihr reichte. »Aber ich muss auch noch das Skript dazu schreiben, Nick. Und daran hatte ich zuvor nicht gedacht.«
Die beiden Männer blickten einander an. Aus irgendeinem Grund war ihnen die Komplexität dieser Lage ebenfalls nicht klar gewesen. »Aber am Ende hast du es doch geschafft?«, fragte Richard.
Polly nickte und nahm noch einen kräftigen Schluck von dem Wein. »Ich glaube schon, dass ich überzeugend war. Aber über (Marendon wurde nichts Bedeutungsvolles erzählt. Allerdings gab es eine Unterhaltung über den Herzog von Monmouth.« Polly schilderte, was sie gehört hatte, während sie im Salon auf und ab ging und nur gelegentlich kurz stehen blieb, um ihr Glas nachzufüllen. Nick runzelte sorgenvoll die Stirn über die Geschwindigkeit, mit der sie den Inhalt austrank, verkniff sich für den Augenblick aber jegliche Bemerkung darüber. »Und wie bist du mit Villiers verblieben?«, fragte De Winter schließlich.
»Mit der Aufforderung, meinen Wert zu erkunden«, antwortete Polly und griff abermals nach der Weinkaraffe. »Nein, Liebes, du hattest wohl wirklich genug.« Nick hielt ihre Hand fest, und in einer plötzlichen Aufwallung von Wut wirbelte Polly zu ihm herum.
·Mit welchem Recht willst du mir das vorschreiben? Ich habe den ganzen Abend über kaum einen Tropfen angerührt, aus Angst, dass mir ein Fehler unterlaufen könnte. Deshalb wird mir jetzt wohl ein klein wenig Entspannung vergönnt sein!«
»So viel, wie du brauchst«, entgegnete Nicholas gelassen. »Aber du trinkst zu schnell.«
Wütend funkelte Polly ihn an. Unterdessen erhob sich Richard aus seinem Sessel und griff nach seinem Umhang. »Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich euch verlasse.« Er zog seine Handschuhe an. »Meine Hochachtung, Polly. Aber daran habe ich schließlich auch nie gezweifelt«, fügte er mit einem etwas bitteren Lächeln hinzu und beugte sich hinab, um ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn zu geben. »Und jetzt hör bitte auf das, was Nick sagt. Wenn es ums Trinken geht, besitzt er einfach mehr Erfahrung als du.«
»Ja«, stimmte Nick ihm scherzhaft zu. »In meiner Jugend war ich ein stadtbekannter Trunkenbold.« Polly ließ den Blick zwischen den beiden hin- und herschweifen. Sie erkannte, dass sie sich gegen sie verbündet hatten, doch gleichzeitig war ihr klar, dass es nur aus Sorge um ihr Wohlergehen geschehen war. »Ich wünsche Euch eine gute Nacht, Richard«, erwiderte sie.
Nick begleitete Richard noch zur Haustür. Als er in den Salon zurückkehrte, stand Polly noch immer dort, wo er sie zurückgelassen hatte.
»Ich möchte dich um Entschuldigung bitten«, sagte Polly mit leiser Stimme. »Ich wollte dich nicht so anfahren.« »Da gibt es nichts zu entschuldigen.« Nicholas schloss sie in seine Arme. »Gehen wir zu Bett. Lass mich
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