Lockruf Der Leidenschaft
Lügen.
»Es tut mir Leid, aber es ist wichtig, und wir werden es aus der Welt schaffen, bevor wir schlafen gehen.« Nicholas wusste, was er zu sagen hatte. »Es ist wahr, dass ich zu Anfang dachte -«
»Dass du eine zukünftige Hure gerettet hattest, die du zu deinem Vorteil auch als solche einsetzen wolltest«, fiel sie ihm mit tonloser Stimme ins Wort.
»Das ist das letzte Mal, dass du so etwas ungestraft sagst«, erklärte Nicholas, dessen Stimme so ruhig und energisch wie gewohnt klang. »Du warst es, wenn du dich vielleicht daran erinnern magst, die auf die Idee kam, sich ihren Weg ins Theater über mein Bett zu suchen. Und danach, wenn ich mich richtig erinnere, hattest du auch noch die Güte, mir zu erklären, dass du für den Fall, dass ich nicht länger dein Gönner sein wollte, gewiss einen anderen finden würdest.« Er bemerkte Pollys Verwirrung mit einiger Befriedigung. »Und in dem Augenblick kam mir die Idee, dass sich dein Vorhaben durchaus mit meinem verbinden ließe. Und darum, ja, stand am Beginn unserer Beziehung der Plan, dich auf Buckingham anzusetzen.« »Aber warum hast du mir das denn nicht gesagt?«, fragte Polly leise.
»Weil ich dachte, dass dich die Wahrheit verletzen würde, was sie ja letztendlich auch getan hat. Ich habe deswegen wahre Höllenqualen durchlitten!« Inzwischen hatte sich ein Anflug von Schärfe in seine Stimme geschlichen. »Ich hatte meinen Freunden deine Dienste versprochen, lange bevor ich mich in dich verliebt habe. Ich hatte ein Versprechen gegeben, eines, das ich ohne Ehrverlust auch nicht einfach wieder brechen konnte. Dich ganz offen um deine Mithilfe zu bitten schien mir der einzig mögliche Weg, um diesem Dilemma wieder zu entkommen. Aber ich habe dich nie zu etwas gezwungen, nicht wahr?«
Schweigend schüttelte Polly den Kopf, während sie versuchte, in dem verwirrenden Durcheinander von Gedanken und Gefühlen einen Sinn zu erkennen.
»Und nun will ich, dass du mir ehrlich antwortest.« Nicholas trat auf sie zu und umfasste abermals ihr Kinn. »Nun, da ich dich liebe, hätte ich all das niemals von dir verlangt, wenn ich nicht bereits genau diese Zusage gemacht hätte. Ist die Vorstellung, dass ich vielleicht erst beschlossen hätte, du könntest uns von Nutzen sein, nachdem ich mich in dich verliebt hatte, denn nicht viel schlimmer? Dass ich, obwohl ich deinen Widerwillen gegen Buckingham kenne, dich eiskalt hätte bitten können, sein Bett mit ihm zu teilen?« Polly schluckte. Warum war sie darauf nicht selbst gekommen?
»Antworte mir«, wiederholte Nicholas hartnäckig und schloss die Finger noch fester um ihr Kinn. »Ja, das ist ein sehr viel schlimmerer Gedanke«, murmelte sie. »Und glaubst du auch, dass ich dich liebe?« Polly nickte stumm.
»Und haben wir das Thema damit erledigt?« Wieder nickte sie.
Und wir brauchen uns auch nicht mehr über Huren und Hurenarbeit zu unterhalten?« Polly schüttelte den Kopf.
Plötzlich lachte Nick. »Hat es dir die Sprache verschlagen, Liebes?«, neckte er sanft.
Ein wenig zittrig erwiderte Polly sein Lächeln. Die Erleichterung, die sich in ihr ausbreitete, ließ sich beim besten Willen nicht in Worte fassen. Es war, als wäre die ganze Last der Welt endlich von ihren Schultern genommen worden. Nun wusste sie, dass sie diese Angelegenheit mit Buckingham bewältigen konnte, und wenn nicht leichten Herzens, dann aber doch zumindest auf eine geschäftsmäßige Art. Es war nichts als eine weitere Rolle - auf die sie nicht besser vorbereitet sein könnte. Das war alles. Es war ganz einfach.
Polly schmiegte sich in Nicholas' Umarmung, die ihr Geborgenheit und Schutz vor den Krän kungen der Welt bieten würde.
Hewlett-Packard
15.
»Oh, Buckingham, seid Ihr gekommen, um den Thespisjüngern bei der Arbeit zuzusehen?« Lord Kincaid begrüßte den Herzog mit einer schwungvollen Bewegung seines mit Federn besetzten Hutes, als sich die beiden Männer beim Haupteingang des Theatre Royal begegneten.
»Ich möchte in meiner bescheidenen Eigenschaft als Stückeschreiber einen Eindruck davon bekommen, wie Killigrew meine Texte sprechen lässt«, gab Buckingham mit einem höflichen, selbstironischen Lächeln zurück. »Es ist die unüberwindbare Neugier, die mich herführt, fürchte ich. Oder vielleicht meine ich damit auch nur unüberwindbare Einbildung.«
Nick widersprach ihm lachend, und die beiden betraten das Gebäude und gingen in den Zuschauersaal, wo sie sich einem wahren Aufruhr gegenübersahen. Auf der
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