Lockruf Der Leidenschaft
schluckte verzweifelt, hörte wieder dieses von Hass erfüllte, trillernde Lachen, spürte den Blick aus diesen boshaften Augen, die sie förmlich auszuziehen schienen.
»Ich hoffe, Ihr fandet die herzoglichen Aufmerksamkeiten ebenso angenehm und lohnend wie die eines Barons, meine liebe Mistress Wyat?«, hatte Lady Castlemaine sie nicht verschwiegen, sondern mit lautstarker Plumpheit gefragt. Um Polly herum erhob sich ein nervöses Gekicher. Immerhin war es Polly noch gelungen, einen arglosen Blick aufzusetzen, ehe sie sich abwandte. Aber es gab nirgends einen Ort, wohin sie sich zurückziehen konnte, und sie wagte nicht, vor Nicks Erscheinen zu gehen.
»Gütiger Himmel, du ziehst ja ein Gesicht wie eine kranke Katze!«, flüsterte Richard zischend hinter ihr. »Ignoriere die Bemerkungen einfach, dann verliert das Ganze bald seinen Reiz. Das ist doch nur eine von Barbaras Boshaftigkeiten. Jeder weiß, dass sie dich nicht ausstehen kann. Aber wenn du dich schuldig bekennst, wird die Geschichte weiter Gesprächsthema bleiben.« »Aber Nick -«
»Er ist gerade erst wieder in die Galerie gekommen. Nimm dich zusammen!«
Polly hob das Kinn und begrüßte Nicholas mit einem Lächeln, während er durch die Menge auf sie zukam. »Hat es Seiner Majestät gefallen, Euch wieder in Gnaden aufzunehmen, Mylord?«
Nick ließ ein bissiges Lachen hören, obwohl er eine freundliche Miene an den Tag legte. »Es hat ihm gefallen, mich willkommen zu heißen, und er hofft, dass ich aufgrund dieses Missverständnisses, an dessen Ursprung er sich schon nicht mehr recht erinnern kann, nicht allzu viele Unannehmlichkeiten erdulden musste.«
»Dann ist es also vorbei«, bemerkte Richard leichthin. »Und durch zorniges Grübeln ist jetzt auch nichts mehr gewonnen.«
»Oh, Mylord Kincaid, lasst mich Euch zu Eurem glücklichen Wiederauftauchen gratulieren.« Lady Castlemaines süßliche Stimme kam durch die Luft geschwebt, und wieder hatte Polly das Gefühl, als befände sie sich in der Umklammerung der betäubenden, giftigen Spinne. Nick machte eine leichte Bemerkung, die den Vorfall als harmlos erschienen ließ, worauf das trällernde Lachen der Gräfin ertönte. »Ihr seid unerschütterlich, Mylord.« Sie wandte sich der wie erstarrt dastehenden Polly zu. »Eure Mätresse dagegen nicht ganz so, fürchte ich. Sie schien das Vertrauen in Eure Freilassung verloren zu haben. Aber andererseits richtet eine kluge Frau ja auch stets ein Auge auf ihre Zukunft, nicht wahr, Mistress Wyat? Man muss schließlich an seine Vorsorge denken. Allein auf Glück und günstige Umstände kann man in dieser harten Welt nicht vertrauen. Und selbst die Verehrer einer Schauspielerin werden eines Tages einmal weniger -ebenso wie die einer Hure.« Sie lächelte. »Da ist es schon klüger, die Früchte zu ernten, solange sie noch am Baum hängen, hab ich Recht? Und der Baum des Herzogs von Buckingham ist üppig und schwer beladen. Ich bin sicher, Ihr seid für Eure Dienste reich entlohnt worden. Er jedenfalls hat mir versichert, dass sie ihre Vergütung durchaus wert gewesen wären.«
Ein Rauschen von Satin, ein Hauch von Moschus, und Lady Castlemaine war verschwunden - in ihrem Kielwasser aber hinterließ sie eine Schneise der Zerstörung. Nick blickte in Pollys kreidebleiches Gesicht, ehe sein Blick zu Richard wanderte. Beide Gesichter verrieten ihm alles, was er noch wissen musste.
»Leg deine Hand auf meinen Arm, Polly«, befahl er mit ausdrucksloser Stimme. »Wir werden jetzt die gesamte Länge der Galerie entlangschlendern.« »Bring mich nach Hause«, flüsterte Polly.
»Noch nicht. Da sind noch ein paar Freunde, die ich begrüßen muss, und das sollten wir gemeinsam tun. Falls wir auf Buckingham treffen, vollführst du einen höflichen Knicks.«
Polly blickte flehend zu Richard hinüber, der jedoch nur kurz nickte und sich ihnen anschloss. Es war die längste halbe Stunde, die Polly jemals erleben sollte. Irgendwie aber schaffte sie es dennoch, das Lächeln auf ihrem Gesicht zu bewahren und sogar zu antworten, wenn man mit ihr sprach. Am Ende der Galerie wurden sie von George Villiers und Lady Castlemaine erwartet.
Nick spürte, wie Polly sich verkrampfte. Sie vollführte einen Knicks vor dem Herzog und spürte, wie dessen Blick auf unverschämte Weise und scheinbar in Erinnerungen schwelgend auf ihrer Brust hängen blieb. Polly spürte, was er mit diesem Blick bezwecken wollte - sie sollte sich benutzt und beschmutzt fühlen. Doch dann rief sie sich
Weitere Kostenlose Bücher