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Lockruf Der Leidenschaft

Lockruf Der Leidenschaft

Titel: Lockruf Der Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
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Gedanke.
    Doch dann musste sie an die Augenblicke in Lord Kincaids Salon am Vorabend denken, ehe die Besucher gekommen waren. Wenn sie ihre Augen schloss, konnte sie die Berührung seiner Lippen auf den ihren - sanft, dennoch so anders als ein rein freundschaftlicher Kuss - noch immer spüren. Was hatte das zu bedeuten gehabt? Was bedeutete es, wenn er sie auf diese ganz bestimmte Art anblickte? Und was bedeutete es, wenn diese merkwürdige, brennende Verwirrung Besitz von ihr ergriff, wenn er sie mit diesen zarten Fingern berührte oder sie ansah, als entdecke er gerade etwas, dessen sie sich selbst gänzlich unbewusst war? Bei anderen Gelegenheiten dagegen erteilte er ihr nur knappe Anweisungen und behandelte sie schroff, wenn sie stöhnte und sich beschwerte, dass sie noch immer in diesem Hause war. Dieser Widerspruch musste doch etwas zu bedeuten haben. Er hatte versprochen, ihr alles beizubringen, was sie wissen musste, um Master Killigrew zu beeindrucken und ihren Platz in jener Welt einzunehmen, die sie sich ausgesucht hatte. Seine Versprechen erfüllte er also - aber dafür musste er doch auch irgendetwas als Gegenleistung erwarten? Und eigentlich hatte er doch zu Anfang gesagt, dass sie sich womöglich gegenseitig von Nutzen sein könnten. Aber wie? Er hatte ihr auf schmerzliche Weise klargemacht, dass er an ihrem Angebot - dem Einzigen, was sie anzubieten hätte - nicht interessiert war. Es war ihr ein Rätsel. In diesem Augenblick kam Lady Margaret in die Küche gerauscht und erstickte damit die allgemeine Überschwänglichkeit, die Big Robs Besuch ausgelöst hatte. Die kurze Stunde des Müßiggangs, die ihnen vergönnt gewesen war, musste nun bezahlt werden.
    Polly, die nach dem Mittagessen den Messingtürklopfer polieren und die Treppe zum Haus schrubben und schmirgeln sollte, fror erbärmlich in der kalten Winterluft und kam zu dem Schluss, dass die Dame des Hauses ihr diese unerfreuliche Aufgabe bestimmt nicht ganz ohne Absicht zugeteilt hatte. Es war kein Tag, um im Freien zu arbeiten. Der Himmel war von einem dunklen Bleigrau, es drohte zu schneien, und der schneidende Wind peitschte um die Straßenecken und drang nahezu ungehindert durch ihren Umhang. Die Steinstufen unter ihren Knien fühlten sich hart und eiskalt an. Und schließlich entglitt auch noch der Scheuerstein ihren tauben Fingern. Polly stieß einen Fluch aus.
    »Was, in Teufels Namen, tust du denn hier draußen?« Nicks wütende Stimme ertönte plötzlich hinter ihr. Er saß auf dem Rücken eines temperamentvollen kastanienbraunen Wallachs mit langem, buschigem Schweif. »Nichts, was mir Spaß machen würde«, antwortete Polly schnippisch. »Oder glaubt Ihr etwa, dass ich mir eine solche Arbeit selbst ausgesucht hätte?« Immer noch kniend wandte sie sich um und blickte zornig zu Nicholas auf, der so warm und prächtig in einen weiten Mantel mit goldenen Knöpfen gekleidet war. Polly rieb ihre Hände aneinander und hauchte auf ihre erstarrten Fingerspitzen, wobei ihr Blick auf Nicholas' mit Goldfaden bestickte Handschuhe fiel.
    Nick seufzte. »Rein mit dir, sonst holst du dir noch eine Erkältung oder womöglich gar den Tod.« »Ich bin aber noch nicht fertig«, widersprach Polly barsch. »Der Türklopfer ist immer noch ganz angelaufen.« »Dann muss er das wohl bleiben, fürchte ich.« Nick ging nicht weiter auf Pollys bissigen Tonfall ein. »Geh sofort hinein und warte in meinem Salon auf mich. Ich komme, sobald ich Sulayman in den Stall gebracht habe. Und dann habe ich einige Neuigkeiten für dich, die dir gewiss nicht ungelegen kommen.«
    Er ritt davon in Richtung der Ställe, die in der Straße hinter dem Haus lagen, und ließ Polly, die ihm stirnrunzelnd hinterherstarrte, auf den Stufen stehen. Er hatte höchst ärgerlich geklungen, aber sie wusste, dass es nicht ihre Schuld war, auch wenn er genau jenen Ton angeschlagen hatte, der gewöhnlich den Küchenmägden vorbehalten war. Aber in seinen Augen hatte wieder dieser Ausdruck gelegen, dieser gewisse Blick, mit dem er sie am vergangenen Abend angesehen hatte, kurz bevor er sie geküsst hatte.
    Polly erschauderte unter einem eisigen Windstoß und beschloss, sich am besten keine Gedanken mehr über Nicholas, Lord Kincaid, und sein rätselhaftes Benehmen zu machen. Sie hatte endgültig genug von dem Haushalt der Lady Margaret, und genau das würde sie ihm auch sagen. Und dieses Mal würde er ihr zuhören! Polly packte den Eimer mit dem kalten, schmutzigen Wasser, die Bürste und den

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