Lockruf Der Leidenschaft
geschäftiges Treiben auf der Straße, und wichtige und beschäftigte Leute gehen in den Häusern ein und aus, sodass es schwer sein wird, sich zu erinnern, in wessen Haus man jemanden gesehen hat.« Sein Lächeln verschwand wieder. »Zudem könnte uns dies später zum Vorteil gereichen, wenn wir unauffällig herausbekommen wollen, welche Informationen sie uns anzubieten hat.«
Nicholas nickte schweigend. »Ich werde mich morgen nach einer passenden Unterkunft umsehen, die von einer respektablen Hauswirtin geleitet wird. Willst du mich zu begleiten Richard?« »Gern. Aber wie steht es nun mit unserer Partie Whist?«
»Du bist heute aber früh aufgestanden, Schwager«, begrüßte Margaret Kincaid am nächsten Morgen, als er die Eingangshalle durchquerte. Er trug seine Reitkleidung - Breeches aus Wildleder, hohe Stiefel und einen weit schwingenden Mantel mit goldenen Knöpfen, den er sich um die Schultern geworfen hatte.
»Ich habe ein paar geschäftliche Dinge zu erledigen«, entgegnete Nick leichthin. »Wo steckt Polly heute Morgen?« Margarets Lippen wurden schmal, wie immer, wenn der Name des Mädchens fiel und sie damit wieder daran erinnert wurde, dass sie, Lady Margaret, im Hinblick auf sie nicht die Zügel in der Hand hielt. Sie konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was ihr Schwager eigentlich vorhatte. Die Göre teilte schließlich nicht sein Bett - dessen war Margaret sich ganz sicher -, dennoch war sie an seiner Seite, wann immer er sich im Haus aufhielt, und die Stimmen und das Lachen, die aus Kincaids Salon drangen, fraßen wie Säure an Lady Margarets Seele. Sie war überzeugt, dass er das dreiste junge Ding niemals für die zahlreichen Verfehlungen zur Verantwortung zog, über die seine Schwägerin ihn stets so gewissenhaft unterrichtete.
»Ich gehe davon aus, dass sie nicht wieder verschwunden ist?«, hakte Nick noch einmal nach, als Margaret nicht gleich antwortete.
»Soweit ich weiß, Schwager, ist das Mädchen in der Küche. Der Händler ist gerade da«, entgegnete Margaret kühl. »Bitte sorg dafür, dass sie zu Hause ist, wenn ich wiederkomme.« Nick ging auf die Haustür zu. »Ich werde mit Freunden zu Mittag essen, aber gegen Spätnachmittag sollte ich wieder zu Hause sein.« Er überlegte, ob er seiner Schwägerin sagen sollte, dass sie den Dorn in ihrem Auge schon bald los sein würde, entschied sich aber dagegen. Schließlich war noch nicht klar, wie rasch er eine passende Bleibe für Polly finden würde, deshalb brachte es nichts, schon verfrüht für Aufregung zu sorgen.
Die Szene, die sich in der Küche abspielte, entsprach wohl ebenfalls nicht den Vorstellungen der Dame des Hauses, denn von der sonst dort herrschenden betriebsamen Geschäftigkeit war im Augenblick nicht viel zu bemerken. Big Rob, seines Zeichens Hausierer, stattete gerade seinen vierteljährlichen Besuch ab, und der Inhalt seines Rucksacks - Spitze und Haarnadeln, Bänder, Kämme und billige Schmuckstücke in schillernden Farben - lag ausgebreitet auf einem Tisch, um den sich der Haushalt wie ein Schwarm Bienen versammelt hatte. Die Besuche des Hausierers stellten stets einen Höhepunkt im Geschehen eines jeden Haushalts da. Selbst die Schenke »Zum Hund« hatte sein Auftauchen in helle Aufregung versetzt.
Wie sein Name bereits sagte, war Big Rob ein Riese von einem Mann. Seine hellen Augen, die wie die Rosinen aus einem süßen Brötchen hervorlugten, strahlten, während er mit der munter daherplappernden Susan flirtete, die sich entrüstet wehrte und errötete, auch wenn sie in Wahrheit nicht ganz abgeneigt war und den schmatzenden Kuss akzeptierte, den er ihr gab, ehe er sich wieder auf den Weg machte.
»Schäm dich, Susan«, schimpfte Bridget halb im Spaß. »Wenn du so weitermachst, endest du noch mit einem dicken Bauch.«
Susan kicherte, während sich ihr rundes Gesicht mit einem Hauch von Röte überzog. »War doch nur Spaß. Davon gibt's hier ja wenig genug. Ich pass schon auf, mach dir mal keine Sorgen. Ich bin doch keins von den schamlosen Flittchen in Covent Garden. So weit kommt kein Mann bei mir, es sei denn, er steckt mir einen Ring an den Finger.«
Bridget gluckste zustimmend, und Polly vergrub den Kopf im Schrank, während sie darüber nachdachte, dass die beiden wahrscheinlich keinerlei Unterschied machten zwischen einer Schauspielerin, die auf der Suche nach einem vornehmen Beschützer war, und den Prostituierten, die Sue so schonungslos beschrieben hatte - kein besonders angenehmer
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