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Lockruf Der Nacht

Lockruf Der Nacht

Titel: Lockruf Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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Straße. Es ist Nacht. Die Straßenlaternen sind zerschlagen, die Häuser hätten längst mal einen neuen Anstrich benötigt. Ich halte vor einem Haus, direkt vor dem Eingang, aus dem mir laute hämmernde Musik entgegenbrüllt. Zielstrebig gehe ich hinein. Ich suche Joe und finde ihn in einer heruntergekommenen Bude. So eine Art Messiebude. Überall liegt Müll herum ich muss aufpassen, nicht in vergammelten Essensresten zu versinken. Aha, denke ich, deshalb habe ich nie seine vier Wände kennengelernt. Immer ist er zu mir gekommen. An der Decke hängt die verweste Leiche eines Mannes, sein Bauch ist aufgeschlitzt und Fliegen summen in der dunklen Höhle seiner Eingeweiden herum. Doch das scheint niemanden so richtig zu stören, denn Joe sitzt vergnügt auf dem Sofa, links und rechts eine Frau im Arm. »Hey Babe!«, sagt er. »Komm, setz dich zu uns.«
    Die Frauen kichern. Was gibt´s denn da zu Kichern?
    »Nenn mich nicht Babe. Ich will meinen Schlüssel.«
    »Den hab ich dir doch gegeben.«
    »Hast du nicht.«
    »Fuck you, Leia. Sieh zu, dass du Land gewinnst, oder willst du so enden wie der hier?« Joe zeigt auf die Leiche.
     

6.
    Ich wache auf. Irgendetwas hat mich geweckt. Ich lausche in die Dunkelheit hinein. Da ist es wieder. Ein Geräusch, als ob …
    Ich krabble aus dem Bett und sehe nach unten ins Wohnzimmer. Die Straßenbeleuchtung ist hell genug, um zu erkennen, dass jemand auf meinem Sofa liegt. Es ist Joe! Und er schnarcht.
    Ich überlege, ob ich jetzt die Szene des Jahrhunderts machen soll oder ob ich die Aktion auf morgen früh verschiebe. Im Stechschritt marschiere ich die Treppen hinunter. Wie Pechmarie den Apfelbaum, schüttel und rüttel ich an Joe herum, bis er ein Lebenszeichen von sich gibt. Er brummt und ich schreie. »Hey, wie bist du hier reingekommen?«
    »Mit dem Schlüssel, Babe.«
    »Nenn mich nicht Babe.«
    Er streckt seine Arme nach mir aus und will mich zu sich runterziehen.
    »Scheiße, du bist ja besoffen.«
    Er stinkt als hätte er im Alkohol gebadet.
    »Ich hab nichts getrunken.«
    »Verschwinde oder ich ruf die Polizei«, drohe ich. Ich mache Festbeleuchtung an, hole mein Handy aus der Tasche und tue so, als rufe ich die Polizei an. »Wie du willst, Joe.«
    Joe erhebt sich genervt. Er braucht sich nichts anzuziehen, denn er ist mit Klamotten und Schuhen auf meinem Sofa eingeschlafen. Er taumelt, hält sich fest und kommt langsam auf mich zu. Sein Gesicht ist zu einer wütenden Fratze verzerrt. »Du scheiß Fotze, du kleiner Fickfehler. Das hättest du nicht tun sollen.«
    Ich gehe rückwärts, lasse ihn nicht aus den Augen und sehe mich unauffällig nach etwas um, das ich ihm zur Not auf den Schädel schlagen könnte. Aber da ist nichts. Um die Vase hochzuheben, müsste ich Herkules sein, für den Regenschirm an der Garderobe um die Ecke Harry Potter und die Pampelmusen in der Obstschale halte ich als Waffen für ziemlich ungeeignet. Der Stuhl an der Bar kreischt wütend auf, als ich gegen ihn stoße. Verdammt, hier ist der Rückzug zu Ende.
    Joe beugt sich über mich und reißt mir den Kopf nach hinten, während seine andere Hand meinen Hals umschließt. »Du kleine Schlampe. Das wirst du noch bereuen.« Er öffnet seinen Rachen, der wie eine Destillationsanlage riecht und heraus kommt eine gelb belegte Zunge, die mir einmal quer über das Gesicht leckt. Dann lässt er mich los und geht aus dem Loft.
    Am ganzen Leib zitternd wasche ich mir seinen Speichel vom Gesicht, versichere mich, dass die Tür auch zu ist und sehe mir den Schlüssel an, den er mir dagelassen hat. Er sieht aus wie meiner, ist aber scheinbar ein anderes Exemplar, das nicht in mein Schlüsselloch passt. So ein Mistkerl.
    Betrunkene Menschen sind unberechenbar, machen Dinge, die ihnen im Nachhinein vielleicht leidtun, oder schlimmer noch, sie erinnern sich nicht mehr daran, wie dreimal in meinen Schrank gepinkelt zu haben und danach zu behaupten: Es hat durchs Dach geregnet.
    Ich versuche wieder einzuschlafen und möchte bitte von keinen Kriegsschauplätzen, Wasser oder von Verflossenen träumen. Sei gnädig mit mir, du großer Traumgott.
     
    Ich stehe auf einem Steg. Einem endlos langen, wackeligen Steg, der über das große weite Meer führt. Wohin? Das ist die Frage, denn in keine Richtung könnte ich rufen: Land in Sicht! Doch irgendwo muss diese Bretterkonstruktion ja anfangen beziehungsweise enden. Ich gehe also einfach weiter und halte mich dabei an dem Geländer fest. Die Latten sind rutschig,

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