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Lockruf Der Nacht

Lockruf Der Nacht

Titel: Lockruf Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
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an, um die letzten Bilder zu übertragen. Während des Transfers sehe ich mir das Geschenk von Mara an. Egal wo ich stehe oder sitze, ich habe immer das Gefühl, dass der Mann mit den blauen Augen mich ansieht.
    Ich kann nicht glauben, dass Joe tot ist. Seltsamerweise berührt es mich nicht und ich breche nicht in Tränen aus. Das mag an seinen letzten Auftritten hier liegen, Traum oder Nichttraum spielt dabei keine Rolle.
    Ich klicke durch die letzten Fotos, die ich im Apartment gemacht habe. Die Bilder aus dem Turmzimmer sind allesamt unbrauchbar. Es sieht aus, als hätte ich die Kamera in dunkelgraue Gewitterwolken gehalten.
    Genervt hole ich den Apparat aus der Tasche und schraube das Objektiv ab, halte es ins Licht und sehe hindurch. Doch ich kann keine Trübung an der Linse entdecken. Zum Testen mache ich ein paar Fotos von meinem Zimmer und lade sie erneut auf den Computer. Alle sind einwandfrei. Ich verstehe dieses Gerät nicht und lege es verärgert zur Seite.
    Morpheus. Ich gebe das Wort bei Google ein.
    Morpheus, antiker Gott der Träume und Gestaltenwandler, ist eine mysteriöse Figur der griechischen Mythologie. Er erscheint den Träumenden in menschlicher Gestalt. Morpheus und seine Brüder Phobetor (bzw. Ikelos) und Phantasos werden auch als die drei Traumdämonen bezeichnet. Sie werden als schwarz geflügelte Wesen beschrieben, die in der westlichen Weite an der Grenze zum Hades leben. Sobald die Nacht hereinbricht, verlassen sie fledermausgleich ihre Höhlen und fliegen durch ein Tor aus Horn oder Elfenbein. Das Tor aus Horn steht dabei sinnbildlich für prophetische Träume, während das Elfenbeintor für falsche oder bedeutungslose Träume steht.
    Ich schaue wieder auf das Bild … Das Schloss hat zwei Tore, eines führt ins Licht, das andere in die Dunkelheit. Lüge und Wahrheit? Stehen sie dafür? Inwieweit macht das alles Sinn? Ist es ein Zufall, dass ich ein Apartment verkaufen sollte, in dem die ganze Dekoration aus der griechischen Mythologie ist? Dass ich von einem Mann mit schwarzen Flügeln träume?
    Ich lese weiter.
    Allgemein verkörpert er die überirdische Dimension des Traumes, die den Träumenden jenseits der reellen Welt in unbekannte ferne Landschaften und Orte entführt.
    Ich erinnere mich an die eigentümliche Landschaft mit ihren schwarzen Bergen, seine Flügel über mir … und erwische mich dabei, wie ich verträumt zehn Mal den gleichen Satz auf einen Zettel Schreibe. Morpheus, Gott der Träume und Gestaltenwandler …
    In der Literaturepoche des Rokoko tritt die Gottheit Morpheus im Traum oftmals mit den Motiven der Sehnsucht, des Fernwehs und Abenteuer, aber auch mit dem Wunsch nach Leidenschaften und sexuellen Fantasien auf.
    Okay. Ich bin eine Abenteuerin, eine Reisende. Fernweh habe ich immer und natürlich wünsche ich mir mal wieder eine leidenschaftliche Beziehung. Keinen Flirt, keinen One-Night-Stand, wo einem die Kleider vom Leib gerissen werden und man am nächsten Morgen obligatorisch nach der Telefonnummer gefragt wird, sondern etwas fürs Herz. Sexuelle Fantasien hege ich nur in diesem Zusammenhang, aber das, was ich mit ihm erlebt habe, ging eindeutig darüber hinaus.
    Ich klappe den Computer zu, lege mich hin und sehe mir die vorbeiziehenden Wolkenfetzen in meinem Dachfenster an. Sie sehen aus wie dunkle Wesen mit Flügeln, die sich auflösen, neu bilden und verdichten.
    Es fängt an zu regnen. Das Auftreffen der Tropfen an den unterschiedlichen Stellen des Daches ergibt eine Art Melodie. Die Klänge sind mal hoch mal tief und schlagen in einem ungleichen Rhythmus auf. Ich liebe es, der Musik des Regens zuzuhören.
     
    In meinem Loft sind eine Unmenge von Leuten versammelt. Unter ihnen sehe ich meinen Chef Mr. Summer, seine blöde Sekretärin, Mara, Lilith, Yven und Freunde, die ich schon lange nicht mehr gesehen oder gehört habe. Sogar die alte Jazmin aus dem kleinen Laden unten an der Ecke, wo ich immer meine Noteinkäufe mache, ist da. Alle sind in Schwarz gekleidet und halten eine rote Rose in der Hand.
    Ich bin die Einzige in einem weißen, bis zum Boden reichenden Kleid und ohne Rose.
    Die Gäste kommen über die Feuerleiter ins Loft geklettert, nicht wie es üblich wäre durch die Haustür. Ich wundere mich, weil die Tür doch offen ist. »Wer hat denn die Tür aufgelassen?«, frage ich, aber keiner antwortet.
    Alles um mich herum wird auf einmal unscharf, die Stimmen und Geräusche dringen nur noch gedämpft zu mir durch, als hätte ich Watte in den

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