Lockruf Der Nacht
kennen.«
Mara trägt heute einen Rock, der ihr bis zu den Knien geht, als sie sich wieder setzt, rutscht er etwas hoch und entblößt eine lange dicke Narbe. Obwohl ich sofort den Blick abwende, hat sie ihn bemerkt.
»Sie stammt von einem Unfall, den ich als junge Frau hatte. Ich musste ein paar Mal operiert werden, weil fast jeder Knochen in meinem Körper gebrochen war. Aber wie du siehst, habe ich es überlebt und sitze heute in diesem traumhaften Apartment.«
15.
Am Abend sitze ich wieder allein auf meinem Sofa und denke über Maras Geschichte nach. Sie hatte noch eine ganze Weile von einer leidenschaftlichen Liebe mit diesem unbekannten Mann geträumt, der nie auftauchte, bis sie ihren Mann kennenlernte. Wie würde meine Geschichte enden? Werde ich auch irgendwann in zwanzig Jahren von der Geschichte eines schönen Unbekannten, der durch meine Träume wanderte und mir den Kopf verdrehte, erzählen? Wird es nur eine Geschichte, eine Illusion bleiben? Noch immer bin ich fest der Meinung, dass er irgendwo da draußen ist und ich ihn früher oder später treffen werde.
Es klingelt an der Tür. Ein Mann steht vor der Tür und sieht mir direkt ins Auge, das ich an den Spion halte. »Wer sind Sie?«
Eine Polizeimarke wird hochgehalten. Mist, den hatte ich ganz vergessen. »Detective Bradley?«
»Ja.«
Ich lasse ihn eintreten und hoffe nicht, dass seine Detectiveaugen irgendetwas Verdächtiges bei mir entdecken und ich mit meiner Lüge auffliege.
Er hält mir meinen Schlüssel hin und sieht mir dabei zu, wie ich ihn ins Schloss stecke. Er passt. »Danke. Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
»Ein Glas Wasser, wenn Sie haben.«
Ich gehe an meinen Kühlschrank und hole eine Flasche Wasser heraus, schenke ihm ein und stelle mich hinter die Bar. Sein Blick ruht zu lange auf mir und mir wird etwas mulmig.
»Ich wundere mich, wie eine Frau wie Sie sich mit einem solchen Typen einlassen konnte.«
Dazu fällt mir nichts ein, außer mir eine Pampelmuse aus meiner Obstschale zu nehmen und sie von einer Hand in die andere zu werfen.
»Die Bad-Guy-Nummer, was?« Er lächelt mich jetzt an und ich erwidere sein Lächeln. Er hat ein sympathisches Gesicht, warme braune Augen und einen dunklen drei Tage Bart, der beim Küssen bestimmt ordentlich kratzt.
»Waren sie mal in seiner Wohnung?«
Ich schüttle den Kopf.
»Hätte mich auch gewundert.«
»Warum?« Jetzt hat er meine Neugierde geweckt.
»Weil sie dann mit Sicherheit keine Nacht mit ihm verbracht hätten. Stinkendes, dreckiges Loch, in dem der Junge gehaust hat.«
Eine Gänsehaut zieht sich über meinen Arm, als ich an meinen Traum denke. Überall lagen Müll und Essensreste herum.
»Ist Ihnen kalt?«
»Nein, warum?«
»Weil Sie eine Gänsehaut haben.«
Auf was der alles achtet. Er wird doch wohl nicht so eine Art Sherlok sein? Detective Bradley fischt etwas aus der Obstschale und prüft es zwischen seinen Fingern. Es ist eine selbst gedrehte Zigarette. Verdammt, wie kommt die denn da hin?
»Rauchen Sie?« Er schnüffelt daran und sieht mich abwartend an.
»Nein.«
»Wer raucht dann Joints bei Ihnen?«
»Niemand.« Ich werde rot, als wäre ich schuldig.
»Keine Sorge, ich verhafte Sie schon nicht«, sagt er lachend. »Na, wer? Joe?«
»Vielleicht hat er mal einen hier geraucht. Keine Ahnung.«
»So alt ist das Ding aber nicht.«
Ach herrje, der wird doch nicht das Alter dieses Teils feststellen können? Was ist, wenn es erst seit drei Tagen hier rumfliegt? Ich fange an zu schwitzen.
»Was haben Sie an Ihrem Auge gemacht?« Er deutet auf mein rechtes Auge.
»Ich bin in der Dusche ausgerutscht.«
»Muss ja verdammt wehgetan haben. Wann war das?«
»Vor ein paar Tagen.«
Er nickt und sieht mich dabei mit prüfendem Blick an. »Na schön, ich habe das untrügliche Gefühl, dass Sie etwas vor mir verbergen. Ich nehm das Ding hier mal mit.«
Bevor ich etwas sagen kann, ist es auch schon in seiner Tasche verschwunden. Darf er das überhaupt? Leider fällt mir kein Gegenargument oder irgendein Paragraph ein, den ich runterleiern könnte.
»Wenn ich noch Fragen habe, rufe ich Sie an, Ms. Walsh. Gesetzt den Fall, dass Ihnen doch noch etwas einfallen sollte, lasse ich Ihnen meine Karte hier.« Er holt eine Visitenkarte aus seiner Tasche und steckt sie grinsend zwischen zwei Pampelmusen. Eine obszöne Geste, die ihn sofort unsympathisch macht, und die ich mit Gelassenheit überspiele.
»Ja, kein Problem.« Ich begleite ihn zur Tür und atme erst wieder
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