Lockruf Der Nacht
schlecht wird. Ich laufe ins Bad und übergebe mich.
»Was ist denn mit dir los?«
»Mir ist schlecht«, krächze ich zwischen Spucken und Würgen hervor.
»Oh, ich habs ja gewusst, du bist doch schwanger.«
»Quatsch. Von wem denn?«
»Von Joe oder von Yven? Bete, dass es Yven ist.«
Bei dem Gedanken übergebe ich mich direkt wieder in die Kloschüssel.
»Blödsinn, Lilith. Lass mich in Ruhe.«
Sie schließt die Tür und lässt mich allein. Ich weiß, dass ich nicht schwanger bin, vielleicht habe ich mir einen Magen-Darm-Virus am Wochenende eingefangen. Auf den Flughäfen tummelt sich ja so einiges an Bazillen, Viren und Bakterien herum.
Mit einem Eiskissen schleiche ich in mein Bett zurück und lege mir das kühlende Teil auf den Kopf. Das war´s mit meinen guten Vorsätzen.
»Übrigens, das habe ich dir noch gar nicht erzählt. Ich weiß jetzt, wie die Mutter der Jungs gestorben ist.«
Ich kann Lilith eh nicht in ihrem Redefluss stoppen, also lass ich sie reden, obwohl der Sprengsatz in meinem Kopf kurz vor dem Explodieren ist. »Na, wie?«
»Sie kam von einer Asienreise zurück und zwei Tage danach fand man sie tot in ihrem Apartment. Irgendein seltsamer Virus hat sie von innen aufgefressen.«
»Von wem hast du denn die Horrorgeschichte?«
»Gestern Abend rief mich Georges Freund an. Sie wollen ein Bild ausgetauscht haben. Ich hab ihm von unserem Wochenende in Newport berichtet, woraufhin er mir das erzählte.«
»Das klingt nach dem berühmten Stille-Post-Spiel. Vor ein paar Wochen war die Rede von einer geheimnisvollen Krankheit, von der keiner etwas wusste, jetzt ist es ein Virus und nächstes Mal ein Mord.«
Unter viehischen Schmerzen drehe ich mich zur Seite und schließe die Augen. »Kannst du mir Kopfschmerz …« ich spreche das Wort nicht aus. Das letzte Mal hat Lilith mir eine ihrer komischen Drogen gegeben. »Nein lass, geht auch ohne.«
»Ich kaufe dir welche und pule sie auch nicht aus der Verpackung raus. Versprochen.«
»Okay.« Ich hoffe sie geht jetzt, aber dann sagt sie noch: »Ich habe gestern Nacht von Payton geträumt … Junge, Junge, dieser Mann lässt mich noch durchdrehen.«
Und dann fällt mir mein Albtraum von heute Nacht wieder ein. Das Ungeheuer mit den Krallen, wie es mich aus meinem Bett nach oben gerissen hat und dann der Schlag auf meinen Kopf. Rühren daher vielleicht die Kopfschmerzen? Quatsch. Aber mir schießen immer mehr Bilder durch den Kopf. Eine Stadt aus Stein mit hohen schwarzen Türmen und da war noch etwas, aber es will mir partout nicht mehr einfallen. Hatte Lilith nicht auch von solch einem Ungeheuer geträumt? Von Payton? Nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht? »Vergiss die Kopfschmerztabletten nicht.«
Ich höre Lilith die Treppe runtergehen. Endlich allein.
Den ganzen Tag bewege ich mich hin und her, von der Kloschüssel zum Bett und wieder zurück. Zwischendurch finde ich ein wenig Schlaf. Schließlich kommt Lilith am Abend nach Hause und bringt mir die erlösende Kopfschmerztablette in einer noch verschlossenen Packung und einen Strauß roter Rosen ans Bett.
Als sie mich sieht, wird sie ganz blass um die Nase. »Zieh dich an, ich fahr dich ins Krankenhaus.«
»Nein. Nicht nötig.«
»Keine Widerrede. Dann kommst du eben im Nachthemd mit.« Sie zerrt mich aus dem Bett, aber kaum stehe ich, versagen meine Beine mir den Dienst und ich sacke wieder zurück.
»Scheisse.«
Ich höre noch, wie sie mit jemandem telefoniert, dann wird mir schwarz vor Augen.
29.
Dieses furchtbare, eindringliche Geräusch will nicht aus meinem Kopf gehen. Es piept in meinen Ohren, dass ich gleich wahnsinnig werde. Ich schlage die Augen auf, um das Geräusch zu orten und liege nicht mehr in meinem Zimmer. Es riecht nach Desinfektionsmitteln, Alkohol und anderen übelriechenden Lösungsmitteln. Lilith sitzt neben mir auf einem Stuhl und blättert in einer Vogue.
»Wo bin ich?«
»Im Krankenhaus, Schatz. Alles in Ordnung. Sie haben dich gecheckt, ist nur eine heftige Gehirnerschütterung, keine Blutungen im Kopf. Frage mich nur, wie du das wieder geschafft hast.«
»Gute Frage. Ich kann es dir nicht sagen.«
»Ich habe dem Arzt erzählt, dass du wohl schlafwandelst und höchstwahrscheinlich die Treppe runtergesegelt bist. Somnambulismus heißt das in der Fachsprache und betrifft nur ein bis zwei Prozent der Erwachsenen. Du bist also eine richtige Rarität. Er hat mir eine Adresse von einem Schlafinstitut gegeben.«
»Ich will nach Hause.«
»Sie wollen
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