Lockruf Der Nacht
oder ihr erklären? Sie würde es eh nicht verstehen. »Na, wir werden sehen.« Ich reiche ihr ein halb volles Glas, schnappe mir die Flasche und gehe hoch in mein Schlafzimmer. Dort trinke ich in einem Zug meines aus, schenke nach, um die Hälfte des nächsten Glases auch noch hinterherzukippen.
Ich packe meinen Koffer aus, schmeiße die schmutzige Wäsche in einen Sack und spüre schnell, wie eine wohltuende Wärme sich in meinem Bauch und meinem Kopf ausbreitet. Der Alkohol wird mir helfen, mich zu entspannen.
Liliths BlackBerry gibt permanent Pieptöne von sich, die durch das Loft hallen. Von hier oben sehe ich, wie sie mit geübten Fingern auf den kleinen Tasten hin und her springt, um eine SMS nach der anderen zu schreiben.
Als ich meinen E-Mail-Account einsehe, ist eine Nachricht von einem neuen Kunden dabei. Wahrscheinlich kommt er über eine Empfehlung von jemandem, denn der Name sagt mir nichts. Ein neues Projekt in Ocean Beach , das ich mir morgen Abend um 7 p.m ansehen soll. Kurz bestätige ich den Termin und sehe mir auf einem Plan die Strecke an. Yven schreibe ich noch eine kurze SMS, in der ich mich für die zwei schönen Tage bedanke, und widme mich dann dem Rest der Flasche Wein. Über Kopfhörer höre ich noch ein wenig Musik und lausche dem Text: ... miss you ...I close my eyes ...that´s when you´re near ...but I know that I´m dreaming ...and I can never cry every night... Mo, wo bist du?
Das Loft ist so dunkel, dass ich meine eigene Hand vor Augen nicht mehr sehen kann und aus Liliths Zimmer höre ich eigenartige Geräusche, Gepolter und Glas splittern. Ich taste die Wand nach dem Lichtschalter ab, aber als ich den Dimmer drehe, bleibt alles dunkel. An der Wand entlang gehe ich vorsichtig die Treppe runter und fühle mich dabei als wäre ich blind. Die Fenster sind wie mit schwarzem Pech abgedeckt und lassen keinen Lichtschein durch. Mehrmals stoße ich mich an Möbelstücken beim Durchqueren des Lofts, bis ich schließlich vor Liliths Zimmer stehe. Ein markerschütternder Schrei gefolgt von einem Krachen, dann ist Ruhe. Ich reiße die Tür auf.
Das Fenster ist eingeschlagen, der Wind zerrt an den Gardinen, als würde er sie in Stücke reißen wollen und eine Eiseskälte schlägt mir ins Gesicht. Liliths Bett ist zerwühlt und sie ist weg. Eine feine Blutspur führt über den Boden zum Fenster. Panisch klettere ich über die Kisten und schaue nach unten, ob Lilith vielleicht gesprungen ist und unten auf dem Asphalt liegt. Aber da ist nichts und außerdem warum sollte sie sich umbringen wollen? Weil Payton sie nicht angerufen hat?
Als ich aus ihrem Zimmer komme, ist die Schwärze aus dem Loft verschwunden und ich kann wieder Umrisse erkennen und nicht nur das, oben in meinem Schlafzimmer mache ich eine Bewegung aus. Ich bleibe stehen, halte den Atem an und konzentriere mich auf die Stelle. Was auch immer da oben war, es ist weg oder ich habe es mir nur eingebildet.
36.
Nach dem Aufwachen laufe ich sofort runter ins Liliths Zimmer. Ob ich wieder nur einer Halluzination in der Nacht erlag? Aber das Bett ist immer noch leer, die Glassplitter liegen immer noch auf dem Boden verstreut herum und auf dem Boden sind immer noch die gleichen Blutstropfen. Das Bild ist unverändert. Ich sehe im Bad nach, aber auch da ist sie nicht. »Lilith!«
Was soll ich jetzt machen? Eine innere Stimme rät mir abzuwarten, ruhig zu bleiben. Ich kann ja schlecht zur Polizei gehen und denen erklären, dass vermutlich Payton Eltringham, eine Art Dämon, der aber auch in menschlicher Gestalt erscheinen kann, sie sehr wahrscheinlich geholt hat. Er muss ihren Betrug mit diesem Footballspieler Cole entdeckt haben und zeigt ihr jetzt wo es langgeht, zeigt ihr, dass er kein Waschlappen ist, mit dem sie das machen kann.
Ich rede mir ein, dass sie heute Abend, wenn ich nach Hause komme, wieder da ist und mir erzählt, dass sie nur einen schrecklichen Albtraum gehabt hat.
Gegen Mittag rufe ich trotzdem in der Galerie an und frage nach Lilith. Sie hat sich ein paar Tage freigenommen, wird mir von einer Aushilfe gesagt. Komisch, dass Lilith mir gegenüber das nicht erwähnt hat. Aber wir hatten in letzter Zeit auch die eine oder andere Auseinandersetzung und haben uns emotional ein wenig voneinander distanziert.
Die Visitenkarte von diesem Detective Bradley hängt noch am Kühlschrank, befestigt mit einem grünen Broccolimagneten und sieht mich an. Soll ich ihn anrufen? Doch dann fällt mir
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