Lockruf der Toten / Magischer Thriller
dem okkulten Fall für ihre Zeitung nach, und weder Jeremy noch mich auch nur erwähnt. Mir kam es so vor, als widerstrebte es Jeremy, Karl hinzuzuziehen. Ich hätte das einfach darauf schieben können, dass Jeremy die »Herausforderung«, die Sache selbst zu erledigen, zu viel Spaß machte. Aber ich kannte seine Einstellung zu Karl und hatte den Verdacht, dass es nicht nur das war.
»Ich fange im Büro an«, flüsterte Jeremy, während er sich die Handschuhe anzog.
»Kann …«, begann Hope; dann verzog sie das Gesicht und angelte nach ihrem Handy. »Tut mir leid. Offiziell recherchiere ich Kornkreise. Zum Glück könnte ich eine Kornkreisgeschichte im Schlaf schreiben.« Ein Blick auf das Display. »Oh, es ist Rona Grant. Soll ich …?« Sie sah zu uns herüber.
»Geh dran«, sagte Jeremy. »Vielleicht hat sie etwas Wissenswertes.«
Sie hatte nichts. Hope hielt das Telefon bei hochgedrehter Lautstärke so weit von ihrem Ohr entfernt, dass selbst ich – ohne Werwolfgehör – die Unterhaltung mitverfolgen konnte.
Offenbar hatte May Rona gebeten, sich zu erkundigen, ob bei irgendeinem der Namen, die sie uns gegeben hatte, etwas herausgekommen war. Hope erfand mit der Mühelosigkeit der professionellen Sensationsreporterin eine glaubwürdige Geschichte und ließ durchblicken, dass wir die Kontaktpersonen tatsächlich abklapperten – nachdem wir gestern erst entschieden hatten, dass sie uns allesamt nichts nützen würden. Sie erkundigte sich diskret nach Botnick – keine direkten Nachforschungen, einfach Suggestivfragen, die Rona dazu hätten verleiten können, über den Sektenführer zu reden, aber ganz offensichtlich hatte die Frau nicht die Absicht, uns in unserem Interesse an dieser höchst zweifelhaften Informationsquelle zu bestärken. Also versprach Hope, sie über die Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten, und legte auf.
»Was ich fragen wollte, könnte Jaime mir vielleicht diese Körperteile zeigen? Nicht, weil ich ein voyeuristisches Interesse an getrockneten Überresten hätte, aber ihr habt euch gefragt, ob sie von jemandem stammen, der schon tot war … oder jemandem, den sie erst vom Leben zum Tod befördert haben.«
»Und du würdest es merken. Jaime? Würdest du dir lieber das Büro ansehen?«
»Mit getrockneten Überresten komme ich klar.«
Wir schlichen uns zum Lagerraum. Unmittelbar hinter dem Eingang stolperte Hope. Ich griff nach ihrem Arm, aber sie schüttelte mich ab und gewann das Gleichgewicht von selbst zurück. Sie drehte sich zu mir um, die Hände vorgestreckt und tastend, als hätte sie vollkommen die Orientierung verloren. Ihr Gesicht war weiß, ihre Augen aufgerissen und blicklos.
Sie hatte eine Vision. Ich dachte gar nicht daran, mich einzuschalten – das ist, als schüttele man einen Schlafwandler wach. Stattdessen hielt ich mich in der Nähe und war darauf vorbereitet, sie abzufangen, wenn sie fallen sollte.
Ihre Hände fanden den Vorhang, und sie packte ihn, als versuchte sie, sich einen Halt zu verschaffen. Einen Moment lang klammerte sie sich an ihn, den Kopf fast auf der Brust, die Augen geschlossen, während ihr Atem schnell und heftig kam. Dann flog ihr Kopf zurück, und sie keuchte und öffnete abrupt die Augen.
»Was ist da drin?«, fragte sie heiser.
Bevor ich antworten konnte, riss sie den Vorhang auf. Ein scharfer Atemzug, als sie das ganze Bondagezubehör anstarrte. Dann ein unsicheres Auflachen. »Na ja, das erklärt es.«
Eine Pause; dann sah sie zu mir herüber. »Ich werde … ich kann das nicht hier drin erledigen. Zu stark. Kannst du dieses … Zeug holen und es mir rausbringen?«
Ich nickte.
Ein paar Minuten später schob ich mich wieder hinaus in den Abstellraum und traf Hope dabei an, dass sie sich den Nacken massierte.
»Tut mir leid«, sagte sie. »Es war einfach …«
»Zu viel.«
Ein schiefes Lächeln. »Ja. Von mir zu erwarten, dass ich ein Gespür für diese da kriege« – sie zeigte auf die Beutel in meinen Händen –, »während ich in diesem Kabuff bin, das wäre, wie wenn man einem Bluthund sagt, er soll in einem Flughafenterminal eine einen Monat alte Spur finden. Viel zu viel anderes Zeug drum herum.«
»Alles in Ordnung?«
Sie nickte und nahm mir einen Beutel aus der Hand. Sie starrte ihn an, aber ich merkte, dass sie immer noch den Film verfolgte, der in ihrem Kopf ablief. Ein heftiges Kopfschütteln.
»Vielleicht solltest du lieber raus an die Luft gehen«, sagte ich. »Was immer du gesehen hast, es kann
Weitere Kostenlose Bücher