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Lockruf der Vergangenheit

Lockruf der Vergangenheit

Titel: Lockruf der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Großmutter möchte dich heute sehen.« Das hörte sich an wie ein Befehl.
    »Sie hat sich in letzter Zeit gar nicht wohl gefühlt. Immerhin ist sie schon achtzig.«
    »Dann gehe ich gleich zu ihr.«
    »Nein, noch nicht. Erst heute nachmittag. Ich bringe dich zu ihr und stelle dich vor. Großmutter ist ein wenig exzentrisch.«
    »Wie Colin?«
    Theodore lachte humorlos auf.
    »Wo sind denn die anderen?« fragte ich dann etwas verlegen. »Meine Mutter ist bei Großmutter. Vater ist nach East Wimsley gefahren. Martha sitzt wie immer über irgendeiner Stickerei. Und Colin – weiß der Himmel, wo der sich herumtreibt.«
    »Sag mal, Theo, die große Fabrik gleich außerhalb von East Wimsley, gehört die uns?«
    Ich glaube, er stieß sich an dem Wort ›uns‹, aber er ging darüber hinweg.
    »Ja«, antwortete er, »das ist unsere Fabrik. Unserer Familie gehören die gesamten Außenbezirke von East Wimsley. Wir haben die fünftgrößte Baumwollspinnerei in England.«
    »Das wußte ich nicht.«
    Seine Augen verengten sich ein wenig. Ich hatte den Verdacht, er argwöhne, ich sei aus reiner Berechnung zurückgekehrt, angelockt vom Reichtum der Familie.
    »Deine Mutter scheint dich ja wirklich völlig im dunklen gelassen zu haben.«
    Der ironische Unterton ärgerte mich.
    »Ganz recht«, erwiderte ich mit einer gewissen Schärfe, nicht bereit, mich von Theodore einschüchtern zu lassen. »Kannst du dir vorstellen, warum?«
    Einen Moment lang erwiderte er meinen Blick, und ich hatte den Eindruck, er sei nahe daran, mir eine offene Antwort zu geben. Dann aber sah er weg und sagte nur: »Nein, ich kann es mir nicht erklären.«
    »Guten Morgen, schöne Cousine. Guten Morgen, Theo.« Ich fuhr herum. Colin stand breitbeinig an der Tür, in der einen Hand eine Reitgerte. Sein Haar war vom Wind zerzaust, und um seine Lippen lag ein unverschämtes Grinsen. »Guten Morgen, Colin«, antwortete ich höflich.
    Obwohl er noch in Reitkleidung war, setzte er sich ohne Umstände an den Tisch.
    »Du bist wirklich ein Flegel, Colin.«
    »Danke, Theo. Deine Offenheit ist wohltuend. Ich fürchte nur, sie wird der guten Leyla, die so gern in diesen harmonischen Familienkreis aufgenommen werden möchte, sämtliche Illusionen rauben.« Er schenkte sich Tee ein und trank ihn hastig. »Reitest du eigentlich, Leyla?« fragte er mich.
    »Mehr schlecht als recht.«
    »Kein Wunder, wenn man in der Stadt lebt. Da lernt man nur Unsinn.« Ich betrachtete die beiden Männer, die mir am Tisch gegenübersaßen, und wußte nicht, welchen ich unerfreulicher fand – Theo mit seiner Falschheit oder Colin mit seiner unverfrorenen Ehrlichkeit. »Komm mit mir«, sagte Colin, »dann zeige ich dir dein früheres Zuhause.«
    »Ich hatte eigentlich Theo versprochen – «
    »Schön, dann geh’ mit Theo.« Colin stand abrupt auf und sah, die Hände in die Hüften gestemmt, mit einem herausfordernden Lächeln zu mir herunter. »Eine Guinee, daß du in weniger als vierzehn Tagen wieder in London bist.«
    »Ist das eine Herausforderung?«
    »Wieso? Willst du es für eine Guinee in diesem Haus aushalten?«
    »Ich habe nicht den Eindruck, daß es hier etwas auszuhalten gibt.« Colin warf den Kopf zurück und lachte. »Hast du das gehört, Theo? Wie wenig sie über uns weiß.«
    Theo war nicht belustigt. »Na, wenigstens hast du uns jetzt das Frühstück gründlich verdorben«, war alles, was er sagte. »Letzte Chance, Leyla«, bemerkte Colin ungerührt. »Du kannst dir Pemberton Hurst von mir zeigen lassen oder du kannst mit Theo gehen. Überleg’ dir die Wahl gut.«
    »Sie geht mit mir, Colin, fertig. Du hast doch sicher noch im Pferdestall zu tun.« Theo tupfte sich die Lippen mit der Serviette, und ich fühlte mich flüchtig an Edward erinnert. Colin ignorierte Theos Bemerkung. Er hielt die grünen Augen unverwandt auf mich gerichtet. »Ach, du hältst dich wohl immer noch brav an den guten Rat, dem flegelhaften Colin aus dem Weg zu gehen, wie? Nun, da man dich so nachdrücklich vor meiner Gesellschaft gewarnt hat – «
    »Theo hat mich zuerst aufgefordert, Colin, sonst würde ich gern mit dir gehen. Für gestern abend habe ich mich entschuldigt. Was muß ich noch tun, um dir mein Bedauern unter Beweis zu stellen?« Die grünen Augen blitzten unternehmungslustig. »Komm mit mir zum Wäldchen.«
    »Colin!« rief Theo und sprang zornig auf. »Bist du verrückt geworden?«
    »Ach, aber ich möchte sehr gern zum Wäldchen, Theo. Schon wegen der alten Erinnerungen.«
    »Nein,

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