Lockruf Des Mondes
Schweigen begannen sie, eine schmale Wendeltreppe hinaufzusteigen. Aus Angst vor Ulfs unbeherrschtem Naturell blieb Emily immer ein paar Schritte hinter ihm, als sie die nicht enden wollende Treppe hinaufstiegen.
Sie kamen an drei Absätzen vorbei, aber Ulf bog auf keinen dieser Gänge ein. Als er endlich stehen blieb, befanden sie sich auf einem schmalen Flur, auf dem nur eine Tür zu sehen war. Ulf stieß sie auf, und Emily trat ein, wobei sie darauf achtete, den Mann nicht zu berühren, als sie sich in das Zimmer zwängte.
Und schon fiel die Tür hinter ihr zu, und das unmissverständliche Geräusch eines Riegels, der vorgeschoben wurde, verriet ihr, dass sie wirklich und wahrhaftig eingesperrt war.
Erschaudernd schlang sie die Arme um ihren Oberkörper und blickte sich in ihrer neuen Unterkunft um. Der kreisförmige Raum war klein und karg. In einer Ecke stand ein mit einem Balmoral'schen Plaid bedecktes Bett, aber keine Tücher hingen vor dem einzigen Fenster, um Licht oder Wind herauszuhalten, keine Wandteppiche an den kalten Steinwänden, um deren Eintönigkeit zu unterbrechen, und es gab auch keinen Wärme spendenden Kamin, ja, nicht einmal einen Stuhl zum Sitzen. Das einzige andere Möbelstück außer dem Bett war ein kleiner Tisch mit einem hölzernen Krug, einer Schüssel, einem Becher und einem Handtuch. Emily blickte sich nach einem Nachttopf um, fand aber stattdessen nur ein stilles Örtchen ohne Tür davor.
Das Turmzimmer sah nach dem aus, was es war - ein Ort, an dem Gefangene festgehalten wurden.
Aber es war sauber, und es hätte schlimmer kommen können.
Wie beispielsweise, Lachlans Bett zu wärmen.
Cait stand in ihrem neuen Zuhause und zitterte an allen Gliedern. Sie war verheiratet. Schon wieder. Und gegen ihren Willen.
Nein, das stimmte so nicht.
Ein Teil von ihr wollte sehr wohl die Lebensgefährtin des Werwolfs sein, der an der Zimmertür lehnte und dessen lässige Haltung nicht die enorme Energie verbergen konnte, die durch seinen großen, starken Körper pulste. Cait konnte sich ein Leben ohne ihn schon nicht mehr vorstellen - und das beängstigte sie mehr als nur die Tatsache, dass sie entführt und zu einer Ehe gezwungen worden war, die allein aus dem Vergeltungsdrang des Balmoral'schen Lairds heraus entstanden war.
Sie dürfte nicht so viel empfinden. Nach so kurzer Bekanntschaft dürfte sie eigentlich gar nichts für Drustan empfinden.
Bei Sean war das nicht so gewesen, nicht vor der Heirat und auch nicht später. Sie hatte ihn zum Mann genommen, weil ihr Bruder es befohlen hatte, aber sie war nie in ihn verliebt gewesen. Und sie befürchtete sehr stark, dass sie bei Drustan schon auf dem besten Wege dahin war. Er war sehr nett zu ihr gewesen, selbst als sie versucht hatte zu fliehen. Und wenn er sie küsste, überfielen sie Sehnsüchte, von denen sie nicht einmal gewusst hatte, dass es sie gab, nicht mal, als sie läufig geworden war und sich in einer Vollmondnacht mit Sean gepaart hatte.
»Du siehst besorgt aus.« Drustans Stimme sandte einen Schauder über ihren Rücken, obwohl es gar nicht kalt war in dem Zimmer.
Cait atmete tief ein - und verschluckte sich fast, als Drustan sich von der Tür entfernte und auf sie zukam. Schnell zog sie sich in die andere Richtung zurück. »Ich mache mich nur mit meinem neuen Heim vertraut.«
Drustans Quartier lag direkt über den Soldatenunterkünften auf der anderen Seite des Turms, in den Emily gebracht worden war. Und egal, wie sehr Cait ihre Ohren auch anstrengte, konnte sie hier doch nichts von ihrer Freundin hören. Sobald die schwere Tür geschlossen war, drang gar nichts mehr durch sie oder die massiven Steinmauern. Beide boten eine Ungestörtheit, die sie auf der Burg ihres Bruders nie gekannt hatte, und das gefiel ihr sehr.
Der Raum, in dem sie sich befanden, war kein Schlafzimmer, sondern eine Art Wohnraum mit einem Tisch und Stühlen neben einem Kamin, ein Luxus, den Cait in einem anderen Raum als dem großen Saal niemals erwartet hätte. Zwei Bänke und eine große Truhe säumten die gegenüberliegende Wand, in der sich eine Tür befand, die vermutlich in ein Schlafzimmer führte, da Cait sich erinnerte, dass Drustan von einem Bett gesprochen hatte.
Sie ging um den Tisch herum, als ihr frisch gebackener Ehemann sich an sie heranpirschte. »Deine Mutter scheint sehr nett zu sein. Sie hat mich in eurer Familie willkommen geheißen.«
»Wie es sich gehörte.« Drustan sah sie mit großen, hungrigen Augen an, aber es war
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