Lockruf des Verlangens (German Edition)
schmecken, wenn man sie in Töpfen kocht, sagt Aisha, und ihr Wort ist Gesetz.« Tai steckte nicht wie sie in Schwierigkeiten, er tat nur den regulären Küchendienst, deshalb war er auch so enervierend aufgeräumter Stimmung.
»Noch vier Tage, dann bin ich wieder frei«, murmelte sie kaum hörbar und konzentrierte sich auf das Schrubben, um die Erinnerung an Hawkes Berührung, an seinen Atem an ihrer Schläfe und im Nacken zu vertreiben.
Nach ihrer nächtlichen Begegnung hatte sie einen Tag lang angespannt auf ihn gewartet … und dann erfahren, dass er die Höhle verlassen hatte. Sie bearbeitete den Topf noch härter, der Topfkratzer war schon ganz schwarz. Auch wenn sie keine Wölfin war, begriff sie, was er getan hatte. So etwas wie in der Sporthalle würde nicht wieder geschehen – er sah es als einen Fehler an, der einem Leitwolf nicht passieren durfte. Sienna Lauren war keine passende Wahl für den Mann, der das Herz des Rudels war.
Ihre Knöchel schabten auf dem Metall, aber sie bemerkte es kaum, weil der Schmerz in ihr so groß war. Früher hätten solch intensive Gefühle eine Dissonanz in ihr ausgelöst, stechende Schmerzen hätten sie daran erinnert, Silentium aufrechtzuerhalten, aber Judd hatte ihr bereits vor sechs Monaten geholfen, die letzten Auslöser zu entfernen.
Fast ein Jahr hatte sie sich geweigert, diesen letzten Schritt zu tun – seit Judd herausgefunden hatte, wie das Schmerzprogramm auszuschalten war. Sie hatte schließlich nur zugestimmt, weil die Dissonanz so stark geworden war. Die Reaktion hätte dauernde Hirnschäden hervorrufen können. Nun konnte sie alles fühlen … auch die abgrundtiefe Angst, dass die Fähigkeiten einer X-Medialen sie zu einer Massenmörderin machen konnten.
»He, hallo!« Tai stupste sie an.
»Was ist denn?«, fragte sie und spülte den Topf aus.
»Nimm’s nicht so schwer.« Sie spürte seine Wärme, als er sich einen Moment an sie lehnte. »Mich hatten sie auch mal von allen Verpflichtungen abgezogen, als ich Dummheiten begangen hatte. So was passiert halt.«
Sein Versuch, sie aufzumuntern, rührte sie, nahm ihrer Niedergeschlagenheit die Spitze, obwohl es ihr vorkam, als würde sie nie vergehen. »Ich habe gehört, du hast Evie wieder ausgeführt.« Sie stellte den Topf auf das Abtropfgitter und nahm sich den nächsten vor.
Tai schwang sich auf den Tresen, seine langen Beine berührten fast den Boden. Im letzten Jahr hatte er breite Schultern bekommen, ihr fiel auf, dass er ein großer Mann war, fast so groß wie Hawke …
Nein, sie würde nicht an ihn denken. Er war einfach weggegangen, hatte sie stehen lassen. »Und?«
»Wenn du irgendjemandem davon erzählst«, sagte Tai, »sage ich allen, dass du lügst, verstanden?« Er warf sich das Handtuch über die Schulter und sah sie finster an, was aber seinem exotisch interessanten Aussehen keinen Abbruch tat.
»Ich kann Geheimnisse gut für mich behalten.« Das musste sie, wenn sie überleben wollte. Sie hatte schon früh begriffen, dass niemand mit einem Monster zusammen sein wollte.
»Ich möchte solche verdammten Verse schreiben«, unterbrach Tais verlegene Stimme ihre Gedanken. »Möchte blöde Liebeslieder singen und ihr im Mondlicht einen Kuss rauben, möchte Kerzen in ihrem Zimmer aufstellen, nur um ihr Lächeln zu sehen, sie die ganze Nacht im Arm halten, um mit ihrem Duft in der Nase aufzuwachen.«
Sienna hatte im Abwaschen innegehalten, als die ersten überraschenden Worte über seine Lippen kamen. »Das hört sich wunderschön an.« Sie spürte ein zart aufkeimendes Verlangen, von dem sie bisher nicht einmal etwas gewusst hatte.
Tais leicht schräg stehende Augen sahen sie verwundert an. »Wirklich?«
»Ganz ehrlich.« Sie musste schlucken, die unbegreiflich weichen Gefühle verwirrten sie. »Aber vielleicht solltest du nicht alles auf einmal machen.«
»Falls ich Indigo überstehe«, grummelte Tai. »Sie ist eine richtige Glucke; jedes Mal wenn ich mit Evie ausgehen will, ist es das reinste Spießrutenlaufen.«
»Daraus kannst du ihr keinen Vorwurf machen. Evie ist doch so zart.« Sienna war sicher gewesen, dass sie Evie in Angst und Schrecken versetzen würde, als Indigo darauf bestanden hatte, sie ihrer Schwester vorzustellen – doch trotz ihres weichen Herzens besaß Evie einen versteckten Hang zum Schabernack. Sie waren schnell Freundinnen geworden und hatten gemeinsam den spektakulärsten Unfug ausgeheckt, der jemals in der Höhle stattgefunden hatte.
Tai nickte. »Der Topf
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