Lockruf des Verlangens (German Edition)
wusste, dass Lucas nur so höflich war, weil er durch das Band zu Sascha sofort merken würde, wenn ihr eine Gefahr drohte. »Vielen Dank.«
Lucas verließ sie mit katzenhafter Eleganz. Sascha stand im gleichen Moment auf und bat Sienna, ihr nach drinnen zu folgen. »Dort ist es wärmer. Und ein Stück von deinem Lieblingskuchen mit Schokolade und Karamell wartet auf dich.«
Kindliche Freude stieg in ihr auf. »Wirklich?« Sie konnte Süßem nur schwer widerstehen; im Medialnet war nichts Sinnliches erlaubt gewesen, nicht einmal Essen. Seit sie es verlassen hatte, wollte sie mit allen Sinnen genießen. Essen, Gefühle … am meisten aber Hawke.
Heiß loderte es in ihr auf, und sie musste sich zusammennehmen, um Saschas nächsten Worten folgen zu können.
»Ich hab Lucas gebeten, es vor dem Wächtertreffen im Baumhaus zu verstecken, sonst hättest du von Glück sagen können, wenn du noch einen Krümel abbekommen hättest.« Sie lachte herzlich. »Setz dich. Ich hole uns Tee.«
Doch Sienna bat Sascha, sich zu setzen. »Ich mache das schon – ich weiß ja, wo alles steht.« Sie holte die Kanne, während Sascha den Kuchen in Stücke schnitt.
»Soso«, sagte die Empathin und legte ihr die schokoladige Versuchung auf den Teller, »Hawke will dich also jagen.«
Sienna erstarrte. »Hat Lucas das trotz der Entfernung gehört?«
»Ja. Und Hawke hat das genau gewusst.«
Sienna brauchte einem Augenblick, um zu begreifen, was damit gemeint war. »Er hat mir klar und deutlich gesagt, dass nie etwas zwischen uns sein kann.« Und dennoch hatte er gerade wieder seinen Besitzanspruch geltend gemacht.
»Hm.«
»Was heißt das?« Es war erleichternd, mit Sascha darüber sprechen zu können. Indigo war zwar inzwischen Freundin und Beraterin geworden, aber über Hawke mochte Sienna nicht mit ihr reden, um die Offizierin nicht in Loyalitätskonflikte zu bringen.
»Ich habe von der Sache im Wild gehört.«
»Ich könnte ihn dafür noch immer prügeln.« Sienna goss den Tee ein und reichte Sascha eine der tulpenförmigen Tassen. »Er behandelt mich, als wäre ich erst zehn.« Nur dass er seine Hand nicht weggenommen hatte, als er ihr einen Klaps auf den Hintern gegeben hatte. Sie presste unwillkürlich die Schenkel zusammen.
»Das ist es?«, fragte Sascha sanft. »Die Sache mit dem Alter?«
»Dagegen kann ich nichts tun. Ich werde immer jünger als er sein.« Aus Angst, die Tasse könnte ihr in den Händen zerspringen, stellte sie das zerbrechliche Gefäß ab. »Aber ich habe nicht nur überlebt und es geschafft, meine Fähigkeiten zu beherrschen«, fügte sie mit zitternder Stimme an. »Ich habe das auch alles außerhalb des Medialnets getan. Ein Kind könnte so etwas nicht.« Sie hatte sich das Recht verdient, so zu leben, wie sie es wollte. »Ich werde nicht zulassen, dass seine Wolfshoheit das alles für nichtig erklärt, weil es leichter für ihn ist, nicht zu erkennen – «
Sienna biss sich auf die Lippen, aber Sascha brauchte auch nicht mehr zu hören. Schon als sie die junge Mediale das erste Mal mit Hawke zusammen gesehen hatte, war ihr die Anziehung zwischen den beiden aufgefallen. Am Anfang war es noch nichts, was man hätte benennen oder festschreiben können. Doch es war mächtig. Stark genug, um Hawke die Entscheidung zurücknehmen zu lassen, Sienna auf Distanz zu halten, stark genug, ihn aus dem Schatten hervorgeholt zu haben.
Als Sascha ihn das erste Mal mit ihren empathischen Gaben berührt hatte, war die alles vernichtende Wut wie ein Dolch in ihr Herz gedrungen. Dieser Mann würde niemals lieben können, hatte sie gedacht, solange der rot glühende Zorn ihm die Sicht verstellte. Doch dann hatte sie ihn mit Sienna zusammen erlebt. Monat für Monat, Jahr für Jahr hatte diese eigenartige Gegnerschaft das Gift des Zorns herausgezogen, bis nur noch ein glänzendes Schwert übrig war, immer noch tödlich, aber weit gesünder für den Träger.
An jenem Abend, als Hawke sie aufgefordert hatte zu beweisen, dass sie eine Empathin war, hatte sie noch etwas anderes wahrgenommen. Sie hatte es nie laut werden lassen, würde das Geheimnis niemals enthüllen, aber der Leitwolf trug eine tiefe Einsamkeit in sich, die nicht einmal sein geliebtes Rudel sah. Falls Sienna Zugang zu diesem wilden, gebrochenen Herzen fände …
»Ein Alphatier«, sagte Sascha, denn sie wollte ihrer kardinalen Schwester so gut helfen, wie sie konnte, »braucht eine Frau, die ihm gegenüber keine Vorbehalte hat. Keine Grenzen. Keinen Schild.
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