Lockvögel
einer Weile zuckte sie mit den Schultern und sagte: »Es ist doch anders.«
»Was ist anders?« fragte ich.
»Als ich Sie heute zu dem Gelände hinausfuhr«, sagte sie, »da haben Sie mich von der Seite angesehen und darüber nachgedacht, wie weit ich gehen würde.«
»Na und?«
»Und jetzt fahren Sie, und ich sehe Sie an, um nachzudenken, wie weit Sie sich vorgewagt haben.«
»Ich habe eine Menge Boden gewonnen«, sagte ich.
»Das möchte ich Ihnen auch geraten haben. Und glauben Sie mir: Es wäre recht gut für Sie, wenn Ihre Geschichte Hand und Fuß hätte. Sonst könnte es recht übel für Sie auslaufen. Wenn Sie meinen, Sie könnten Holgate für schäbige 250 Dollar in seiner Glaubwürdigkeit erschüttern, dann werden Sie Ihr blaues Wunder erleben. Er weiß nichts von dieser Anzeige und würde Ihnen keinen Cent zahlen.«
»Ich will ja keinen Cent«, antwortete ich.
Sie schüttelte ratlos den Kopf. »Wenn ich bloß wüßte, was Sie wirklich im Sinn haben. Sie halten doch mit irgend etwas hinter dem Berg. Als ich Sie zum erstenmal sah, war ich darauf eingestellt, Sie gern zu haben. Und verdammt noch mal, ich mag Sie noch immer.«
»Schönen Dank.«
»Da gibt es nichts zu danken. Offen gesagt, entweder mag ich Männer auf Anhieb, oder ich mag sie nicht. Denn ich spüre es schon im ersten Augenblick, wenn ich einem Mann begegne, wie ich zu ihm stehe.«
»Eine vernünftige Einstellung«, bestätigte ich.
Wir verfielen wieder in Schweigen.
Als ich von der Hauptstraße abbog, konnten wir die erleuchteten Fenster des Bürogebäudes sehen.
»Wahrhaftig«, sagte sie entspannt. »Das ist aber eine Überraschung.«
’ »Haben Sie das nicht erwartet?«
»Offen gestanden, nein. Ich dachte, Sie wollten mich nur herauslotsen, um mir dann vorzuschlagen, ins Büro zu gehen und Mr. Holgate über das Diensttelefon ausfindig zu machen. Aber Moment mal. Es steht ja gar kein Wagen hier.«
»Aber das Licht brennt, und das bedeutet doch, daß jemand anwesend ist.«
»Das begreife ich nicht«, sagte sie. »Wer auch hier ist, er muß doch mit einem Wagen gekommen sein.«
»Würde denn jemand das Haus verlassen, ohne das Licht auszuschalten?«
»Nein, allerdings nicht.«
»Also muß jemand hier sein.«
Ich parkte unmittelbar vor der Eingangstür. Dabei versuchte ich, den Wagen möglichst auf die gleiche Stelle zu stellen, wo ich ihn vorher geparkt hatte.
Lorraine sprang heraus und eilte zur Tür des Empfangsraumes.
Sie öffnete das Büro, ging hinein, sah sich schnell um und blieb überrascht stehen.
»Nanu, wer hat denn meine Schreibmaschine benutzt?« fragte sie
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte ich.
»Die elektrische Schreibmaschine dort«, sagte sie. »Die Haube ist abgenommen, und der Motor läuft.«
Sie eilte zum Tisch hinüber und legte ihre Hand auf die Maschine. Ich machte es ihr nach und sagte: »Sie muß schon eine Weile laufen. Der Motor ist ganz warm. Vielleicht haben Sie den Motor nicht abgeschaltet, bevor Sie heute nach Hause gingen?«
»Reden Sie kein dummes Zeug«, antwortete sie. »Irgend jemand ist hier gewesen und hat die Maschine benutzt.«
Energisch wandte sie sich um und lief zu Holgates Büro. Bevor sie die Hand auf den Drücker legte, klopfte sie kräftig an, öffnete dann und ging hinein.
Ich folgte ihr auf den Fersen.
»Ach du meine Güte!« rief sie verblüfft.
Wir standen an der Schwelle und besahen uns das Trümmerfeld.
»Hier liegt eine zerbrochene Puderdose, und — was ist denn das? Ach ja, das ist der dazugehörige Compact-Puder.«
Ich hob ein Stück von dem zerbrochenen Puderstein auf.
»Das muß aus der Puderdose gefallen sein«, sagte Lorraine.
Sie nahm das Stückchen Puder, das ich ihr reichte, schnupperte daran, sah es nachdenklich an und meinte: »Vermutlich von einer Blondine.«
Ich »entdeckte« den Schuh, als sähe ich ihn zum erstenmal. »Nanu, hier liegt ja ein Damenschuh. Was soll denn das?« Mit diesen Worten hob ich ihn auf und reichte ihn ihr.
»Wahrscheinlich hat eine Frau irgendeine Waffe gebraucht«, meinte Lorraine. »Sie zog den Schuh aus und schlug mit dem Absatz zu.«
»Vergewaltigung?« fragte ich zweifelnd.
»Auf keinen Fall durch Holgate.«
»Und wie steht es mit seinem Partner, Chris Maxton?«
»Was wissen Sie von Maxton?«
»Und was wissen Sie?«
»Zumindest weiß ich nichts über seine Gewohnheiten in Liebesdingen, wenn Sie darauf hinauswollen.«
»Aber hier hat doch ganz offensichtlich ein regelrechter Kampf stattgefunden, und
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