Lockvögel
er wird auch viel Zeit haben — vielleicht lebenslänglich —, wenn er Glück hat.«
»Sie sehen doch, daß wir auf Ihre Erklärung warten«, drängte ich.
»Wir waren einfach der Ansicht, daß eine nicht zur Firma gehörende Detektei uns in diesem Fall besser absichern würde.«
»Und weiter?« sagte ich.
»Ich habe alles gesagt«, antwortete Hawley reserviert.
»Das habe ich gehört. Aber es ergibt keinen Sinn. Aus irgendeinem bestimmten Grund wollten Sie eine Agentur außerhalb der Firma beschäftigen. Vielleicht deswegen, weil Sie eine Klage wegen Beleidigung und Verleumdung befürchteten?«
Er kniff die Augen zusammen.
»War das der Grund?« bohrte ich unentwegt.
Hawley setzte zu einer Antwort an, schwieg aber.
Sellers hatte Hawley mit den listigen Augen eines Kriminalbeamten beobachtet, der schon viele Leute im Verhör erlebt hat. Er wandte sich an ihn: »Sie mögen keine Publizität, Hawley. Ich glaube, Ihnen wurde eine vernünftige Frage gestellt. Warum beantworten Sie diese nicht hier, anstatt im Polizeipräsidium, wo ständig eine Meute von Reportern auf der Jagd nach Sensationen herumlungert. Die könnten sich wundern, warum Ihre Versicherungsgesellschaft in diesen Fall verwickelt ist.«
Hawley lief rot an und sagte: »Das ist eine der lästigen Seiten dieses verdammten Falles.«
Ich wandte mich an Sellers. »Meiner Ansicht nach wurde die Angelegenheit den Herren von der Versicherung so heiß in den Händen, daß sie sich nicht die Finger verbrennen wollten. Sie hätten Holgate beschuldigen müssen und wollten die Verantwortung dafür nicht übernehmen. Deshalb war es ihnen ein paar tausend Dollar wert, die Angelegenheit einer selbständigen Detektei zu übertragen, damit diese ihren Kopf hinhalten konnte.«
Sellers drehte sich zu Hawley um, nahm die Zigarre aus dem Mund und zeigte mit dem Stummel auf ihn: »Haben Sie hierzu etwas zu sagen, Hawley?«
Hawley, der inzwischen nachgedacht hatte, änderte plötzlich seine Taktik. »So, wie Lam es darstellt, kann man die Sache nicht beurteilen, Inspektor. Ich möchte jedoch zugeben: Einiges an der Art, wie Vivian Deshler ihren Schadenersatzanspruch vorbrachte, ließ uns vermuten, daß wir es hier mit jemandem zu tun hatten, der sich professionell mit Schadenersatzklagen befaßte.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, sie hat zum Beispiel sämtliche Krankheitssymptome bis in alle Einzelheiten registriert. Als sie uns dann ein Angebot machte, wie der Fall finanziell aus der Welt geschafft werden könnte, da erweckte die genaue Aufstellung aller angeblichen Schmerzen, Leiden und nervösen Begleiterscheinungen bei uns den Verdacht, daß wir es mit einer Simulantin zu tun hatten.«
»Nur weil sie einen Schadensanspruch geltend machte?«
»Nein, es war die Art und Weise, wie sie das tat. Unser Sachbearbeiter hatte ein wenig undiplomatisch gehandelt und in Gegenwart von Zeugen etwas gesagt, was uns Kummer machte. Man hätte seine Bemerkung als Grundlage für eine Anschuldigung auffassen können. Dies wiederum konnte zu einer Klage führen, wenn er seine Anspielungen nicht beweisen konnte. Hierfür bestand aber bei dem damaligen Stand der Ermittlungen wenig Aussicht.«
Sellers wandte sich an mich: »Beantwortet das Ihre Frage, Lam? Oder haben Sie noch irgendwelche Einwendungen?«
»Er ist der ganzen Sache ausgewichen«, antwortete ich.
»Na, dann nehmen wir das wenigstens als Ausgangsbasis. Was haben Sie als nächstes zu sagen?«
»Daß es überhaupt keinen Unfall gegeben hat.«
»Was heißt das, es hat überhaupt keinen Unfall gegeben?« fragte Hawley. »Natürlich gab es einen Unfall. Wir haben in der Garage nachgeforscht, die Holgates Wagen repariert hat, desgleichen in der Garage, in der Miss Deshlers Wagen wieder in Ordnung gebracht wurde. Dort fanden wir sogar noch einen Teil der Stoßstange ihres Wagens, die abmontiert worden war. Die Farbe darauf stammte von Holgates Wagen. Sie müssen sich also schon etwas Besseres einfallen lassen, Lam.«
Sellers grinste mich höhnisch an. »Zappeln Sie nur ruhig weiter, Lam.«
»Du meine Güte, sehen Sie denn immer noch nicht, was gespielt Wurde? Es hat keinen Unfall gegeben. Carter Holgate war betrunken. Er hatte schon mit Cocktails zum Geburtstag seiner Sekretärin begonnen. Das war ein guter Start. Dann fuhr er irgendwohin zum Abendessen und wurde richtiggehend betrunken. Auf dem Heimweg Wurde er in einen Unfall verwickelt. Da er betrunken war, hielt er nicht an, sondern beging Fahrerflucht. Es gelang
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