Lockvögel
wohl auch imstande sein, die Ecke jenes Pappmodells anzuheben, das nur einen Zentner wiegt.«
»Es wäre ja möglich, daß Sie einen Komplicen hatten«, antwortete Sellers. »Dann brauchten Sie nur die Hälfte des Gewichtes zu tragen.«
»Das ist natürlich eine wunderbare Idee«, erwiderte ich ironisch. »Und wer sollte das gewesen sein?«
»Wir sind dabei, uns darum zu kümmern«, antwortete Sellers und kaute weiter nachdenklich an seiner Zigarre.
»Na schön, wie Sie wollen. Und wo stehen wir jetzt? Werde ich des Mordes beschuldigt?«
»Noch nicht.«
»Bin ich festgenommen?«
»Noch nicht.«
»Wie wollen Sie denn den gegenwärtigen Zustand bezeichnen?«
»Sie werden zum Verhör zurückgehalten.«
Ich schüttelte ablehnend den Kopf. »Das paßt mir nicht, und das lasse ich mir nicht bieten. Entweder Sie beschuldigen mich offiziell, oder aber Sie lassen mich gehen.«
»Wir können Sie doch zum Zwecke der Vernehmung festhalten.«
»Sie haben mich vernommen. Und jetzt verlange ich, telefonieren zu dürfen.«
»Von mir aus, bitte. Dort steht ein Apparat.«
Ich ging zum Telefon, wählte die Nummer meines Büros und ließ Bertha rufen.
»Was ist denn nun schon wieder los?« hörte ich Berthas ärgerliche Stimme.
»Ich bin hier auf dem Flugplatz und werde wegen des Mordes an Holgate vernommen«, sagte ich. »Die Leiche wurde im Kofferraum unseres Wagens gefunden. Ich habe eine Menge zu tun und möchte —«
Bertha unterbrach mich mit schriller Stimme. »Holgates Leiche!« schrie sie.
»So ist es«, erklärte ich geduldig. »Er wurde im Kofferraum des Agenturwagens gefunden.«
»Unseres Agenturwagens!« schrie sie entsetzt.
»Schrei doch nicht so, mir fällt ja der Hörer aus der Hand«, mahnte ich. »Und nun höre mir bitte gut zu. Inspektor Sellers ist hier. Er vernimmt mich, während ich selbst eine Unmenge Arbeit vor mir habe. Ich habe ihm alles erzählt, was ich weiß. Entweder muß er mich jetzt ganz amtlich des Mordes beschuldigen oder gehen lassen. Im Augenblick will er weder das eine noch das andere tun. Ich bitte dich daher, sofort den besten Anwalt der Stadt damit zu beauftragen, einen Habeas-corpus-Antrag zu stellen.«
»Kann ich nicht mal mit Sellers sprechen?« antwortete Bertha.
Ich hielt ihm den Hörer hin. »Sie möchte mit Ihnen reden, Frank.«
Sellers grinste. »Sagen Sie ihr, das sei nicht notwendig. Ich möchte mir gern mein Trommelfell erhalten. Außerdem lassen wir Sie jetzt laufen.«
»Es ist nicht mehr nötig, sagt Sellers. Ich kann gehen.«
»Was sagst du? Ich kann dich nicht verstehen.«
»Ihren Wagen können Sie aber nicht mitnehmen«, rief mir Sellers zu. »Der bleibt wegen der Blutspuren als Beweisstück beschlagnahmt.«
Ich informierte Bertha am Telefon. »Sellers hat unseren Wagen beschlagnahmt. Ich nehme mir ein Taxi.«
»Ein Taxi! Du bist wohl verrückt! Fahre mit der Stadtbahn und spare die vier Dollar. Wir sind doch keine Millionäre.«
»Wir haben es jetzt mit einem Mordfall zu tun«, ermahnte ich sie. »Da zählt jede Minute.«
»Zum Teufel mit den Minuten, Dollars zählen mehr.«
»Dann sieh zu, daß unser Klient bald ins Büro kommt. Ich brauche ihn dort«, sagte ich zu Bertha.
»Und stellen Sie auch gleich einen Stuhl für mich zurecht«, mischte Sellers sich in mein Telefonat.
»Was soll das?« fragte ich erstaunt.
»Weil ich mit Ihnen fahre. Wenn Sie nämlich einen gerissenen Anwalt beauftragen wollen, einen Habeas-corpus-Antrag zu stellen, dann werden wir Ihnen nicht noch Vorschub leisten. Wir werden Sie nicht eher des Mordes beschuldigen, bis wir wissen, was für einen Fall Sie bearbeiten. Und Sie können sich darauf verlassen, Lam: Ich werde Sie auf Schritt und Tritt begleiten wie Ihr Schatten.«
»Das erzählen Sie lieber Bertha.«
»Nein, danke. Das überlasse ich liebend gern Ihnen.«
Ich berichtete Bertha. »Sellers kommt mit. Die Polizei will mich noch nicht beschuldigen. Aber Sellers will sich wie eine Klette an mich heften. So sagt er wenigstens.«
»Können wir das nicht verhindern?« fragte Bertha.
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete ich. »Das ist nun einmal die Art der Polizei. Entweder ich lasse es zu, daß man mich begleitet, oder aber man nimmt mich wegen Mordverdachts fest. Damit kann man mich eine ganze Weile kaltstellen.«
Bertha überlegte eine Weile, dann sagte sie: »Achte wenigstens darauf, daß dieser Teufelsbraten das Taxi bezahlt, wenn er mit dir fährt.«
»Keine Angst«, beruhigte ich sie. »Sellers nimmt
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