Lodernde Begierde
betörende Schönheit zu sein, sie war von bewundernden Männern umlagert, und die gute Gesellschaft überschlug sich förmlich um ihretwillen.
Auch in einem weiteren Punkt hatte er recht behalten: Nachdem sie ihren großen Auftritt hinter sich gebracht hatte, stellte Sophie fest, dass sie den Ennui nicht nur vorgab – sie langweilte sich wirklich zu Tode.
Zehntes Kapitel
A m hinteren Ende des Ballsaals, wo die Herren ohne Begleiterin sich in der Nähe der Raucher- und Kartenzimmer zu versammeln pflegten, kippte Graham ein weiteres Glas von Lord Waverlys fadem, warmem Champagner hinunter. Es schmeckte schrecklich, doch wenn er genug davon trank, konnte er vielleicht sein altes Ich darin schwimmen sehen.
Was war nur los mit ihm? Zum ersten Mal in seinem Leben wusste er nichts zu der Gruppe Rüpel zu sagen, die er einst als seine Freunde bezeichnet hatte.
Er hatte auch den geistlosen, hohlköpfigen Frauen im Raum nichts zu sagen.
Seine goldene Zunge hatte ihn verlassen, sein Charme war verflogen. Er … er … brütete stumpf vor sich hin.
Gott, warum ausgerechnet jetzt? Warum musste er gerade jetzt erwachsen werden, wenn er seine jungenhafte Oberflächlichkeit am dringendsten brauchte?
Neben ihm prustete einer seiner ehemaligen Freunde und besprühte dabei einen anderen mit einem Mundvoll Champagner. Früher hätte Graham darüber gelacht oder zumindest dem tropfenden Mann trocken in die Rippen gestoßen.
Jetzt wollte er die beiden bloß beim Kragen packen und ein wenig Verstand in sie schütteln.
Hört auf, die Zeit zu verschwenden! Hört auf damit, die Leute im Stich zu lassen, die Euch brauchen!
Hört auf, Euch so jämmerlich zu verhalten wie ich!
Doch er war aus einem bestimmten Grund hier. Pflichtbewusst nahm Graham ein weiteres Glas Champagner vom Tablett eines vorübergehenden Dieners. Wenn er sich betrinken musste, um eine Braut zu finden, dann würde er es tun und bis zu seinem Hochzeitstag nicht mehr nüchtern werden.
Ein dritter Mann gesellte sich zu ihnen. Graham bemerkte es kaum, doch die Erregung des Mannes ließ seine Stimme lauter werden als die der anderen.
»Jungs, ich bin verliebt.«
Da jener frühere Freund sich monatlich neu verliebte, ignorierte Graham ihn. Der Champagner lag ihm fad und eklig im Magen. Vielleicht sollte er versuchen, etwas Essbares zu finden.
Das Gemurmel schwoll zu einer Art Streitgespräch an. »Edencourt könnte es schaffen, was meint Ihr?«
Sein neuer Name riss ihn aus den übellaunigen Gedanken und weckte unversehens sein Interesse. »Was könnte ich schaffen?«
»Er kann es nicht. Keiner kann das. Sie ist so kalt wie ein See im Winter.«
»Edencourt, Ihr müsst sie Euch ansehen. Sie ist ein reizendes Geschöpf, wie eine Gazelle. So vornehm. Ich habe gehört, sie hätte den ganzen Abend kein einziges Mal gelächelt.«
Graham zog eine Grimasse. Es tat ihm bereits jetzt leid, dass er sich in das Gespräch hatte ziehen lassen. »Vielleicht ist sie einfach zu dämlich, um einen Witz zu verstehen.«
Die drei starrten ihn begriffsstutzig an. Genau.
Er seufzte. Sie wollten, dass er sich wie in alten Zeiten aufmachte und die Dame eroberte, damit sie sich in seinem Erfolg sonnen konnten.
Er öffnete den Mund, um die Herausforderung abzulehnen. Stattdessen hörte er sich fragen: »Ist sie reich?«
Die anderen grinsten höhnisch. »Sie hat gute Beziehungen und ist außerordentlich aufwendig gekleidet. Ich hörte eine der anderen Damen sagen, es wäre das schönste Kleid Lementeurs, das sie jemals gesehen habe.«
Also war sie wohlhabend. Seufzend goss Graham den ekelhaften Champagner ins Erdreich einer Kübelpalme und rieb sich die Hände.
»Dann werde ich wohl einmal darum bitten, ihr vorgestellt zu werden.«
Die Gruppe teilte sich, um ihn durchzulassen. Bewundernde Schüler, die bereit waren, von ihrem Meister zu lernen.
Graham konnte nicht glauben, dass er sich tatsächlich mit einer Gruppe so nutzloser Zeitgenossen abgegeben hatte. Hatten sie denn keinen Stolz? Keine Träume? Keine Ziele?
Sophie hatte so recht gehabt, was ihn betraf. Das würdet Ihr wissen, wenn Ihr jemals etwas anderes mit Eurem Verstand tätet, als ihn zu vergeuden.
Der Gedanke an Sophie verschlechterte seine Stimmung noch. Sie verhielt sich merkwürdig, war immer mit irgendetwas beschäftigt und ließ ihn warten.
Ihm fehlten die Tage, an denen sie einfach da gewesen war, wenn er sich in der Primrose Street eingefunden hatte, nachdem er die gehobene Gesellschaft leid geworden war,
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