Lodernde Begierde
in Erwägung, sich in eine Meute kläffender Jagdhunde zu werfen. Große Männer, kleine Männer, dünne Männer, fette Männer. Einige so jung, dass das Rasieren noch ein Hobby zu sein schien, andere so alt, dass Sophie sich sicher sein konnte, dass sie blind gegenüber ihren Fehlern wären.
Vor der Tür bezogen Fortescue und Patricia ihre Posten und bereiteten Sophie auf das Erlebnis vor. Nach Lementeurs Anweisungen sollte sie nicht länger als fünfzehn Minuten bleiben.
»Es wird ein zügiges Manöver, Miss«, versicherte ihr Fortescue. »Ihr geht rein und wieder raus, dann geleite ich die Herren zur Tür.«
»Wird sich denn niemand darüber wundern, dass Tessa nicht hier ist?« Sophie zupfte nervös an der Spitze an den Ärmeln ihres Nachmittagskleides. Es war ein weiteres von Lementeurs Wunderwerken der Einfachheit. Das trügerisch einfache Musselinkleid war so geschnitten, dass es die Länge von Sophies Beinen hervorhob. Übereinanderliegende Rüschen am Oberteil täuschten eine größere Oberweite vor, und lange, eng anliegende Ärmel verliehen ihren Armen die Grazie einer Tänzerin. Patricia nahm behutsam Sophies Hände weg und richtete flink die in Unordnung gebrachte Spitze. Dann nahm sie Sophie die Brille von der Nase und steckte sie in ihren Spitzenärmel.
Fortescue schnaubte. Niemand konnte so schnauben wie er. Er verfügte über ein vollständiges Vokabular von »erbärmlich« über »verächtlich« bis, für die wahrhaft Abstoßenden, »ekelhaft«. »Das hier ist Brook House, Miss«, verkündete er großspurig. »Niemand würde es wagen, eine solche Unanständigkeit zu erwähnen.«
Sophie schluckte, dann nickte sie. »Öffnet die Tür.«
Sie rauschte in den Salon, ihre Sofia-Maske war fest am Platz. Sie nahm die Begrüßungen an, als wäre sie einen Atemzug vom Gähnen entfernt, bewegte sich behutsam am Mobiliar vorbei und ließ sich letztendlich träge im Sessel vor dem Kamin nieder. Sie hatte vorgehabt, niemandem zu gestatten, an ihrer Seite zu sitzen, doch der Sessel hatte noch den zusätzlichen Nutzen, als eine Art Thron zu dienen.
Das nervöse Zittern ihres Magens unterdrückend, wedelte sie träge mit der Hand. »Ich kann leider nur kurz bleiben, da meine Anstandsdame unpässlich ist.«
Somers Boothe-Jamison, einer der wenigen Männer, die nicht vollkommen dumm waren, beugte sich vor. »Wie fühlt sich Lady Tessa?«
Oje. Wie sollte sie die Sache durchziehen, wenn alle hier Tessa kannten? Tessa wäre in der Lage, ihr binnen Sekunden alles zu ruinieren. Sie wandte sich an Boothe-Jamison. »Unpässlich.« Als wäre er ein Idiot.
Doch gerade, als sie erfolgreich den Eindruck erweckt hatte, ihre Anstandsdame befände sich an der Schwelle zum Tod, schwebte Tessa lächelnd und reizend durch die Tür herein. Wie war sie nur am wachenden Auge des Butlers vorbeigekommen?
Hinter Tessas Schulter konnte Sophie verschwommen Fortescue erkennen, dessen attraktives Gesicht frei von jeglicher Regung war, doch der Verdacht drängte sich auf, er hätte etwas Faules gerochen. Nun, er konnte ihr schwerlich den Zutritt verweigern. Mist!
Somers Boothe-Jamison war entzückt. »Nun könnt Ihr so lange bleiben, wie es Euch beliebt, Miss Blake.«
»Verdammter Mist!«, murmelte Sophie. Der Herr, der sie gerade mit Erzählungen über seine sportlichen Betätigungen langweilte, schaute sie erschrocken an. Sophie, die ihn bereits von der Liste ihrer potenziellen Ehemänner gestrichen hatte – sie weigerte sich, den Rest ihres Lebens damit zuzubringen, diesem Idioten dabei zuzuhören, wie er über Cricket schwadronierte! –, blickte ihn bloß mit hochgezogener Augenbraue an.
Dann wurde es noch schlimmer. Einige Schritte hinter Tessa erschien Lady Lilah Christie höchstpersönlich. Sophie stellten sich die Nackenhaare auf, als sie die schönste Witwe der guten Gesellschaft erspähte. Schwarze Haare und silberne Augen, reich, von hoher Geburt, elegant und absolut unmoralisch – Lilah war das genaue Gegenteil von ihr.
Zur Hölle mit ihr.
Tessa lächelte und beugte sich über Sophies Schulter. »Ich hoffe, du hast nichts dagegen, meine Liebe, die arme Lilah ist in letzter Zeit so niedergeschlagen. Weißt du, Ihr Ehemann ist kürzlich verstorben.« Tessas Bühnenflüstern war deutlich im ganzen Raum zu vernehmen. Lilah versuchte sich offensichtlich in einer trauernden Miene, aber ihr lief beim Anblick des Raumes voller Männer fast der Geifer aus dem Mund.
Auch Tessa schien die Morgenzeitungen gelesen zu haben.
Weitere Kostenlose Bücher