Lodernde Begierde
hielt inne. »Ist Edencourt eigentlich in einem sehr schlechten Zustand? Ich habe Gerüchte gehört, dass es ein bisschen heruntergekommen sei, seitdem nur Männer dort leben.«
Graham gelang es, nicht laut loszulachen. »Ein bisschen heruntergekommen«, wiederholte er unverbindlich. Wenn der Rest der Welt nicht über den tatsächlichen Zustand von Edencourt Bescheid wusste, dann lag das eher an der fehlenden Gastfreundlichkeit seines Vaters als an bewusster Geheimhaltung. Doch es wäre besser, kein zu düsteres Bild zu zeichnen, bevor er die Zukunft des Gutes mit dem Verkauf seines Namens gesichert hatte.
»Ich werde ein braves Mädchen sein, Grammie«, beteuerte Lilah keuchend. »Zumindest bis du einen Sohn hast.« Sie leckte seine Lippen. »Das übliche Arrangement. «
Obwohl die bessere Gesellschaft genau diese Bedingungen generell akzeptierte, war sich Graham mit einem Mal bewusst, dass er das übliche Arrangement nicht wollte. Der Ring seiner Mutter ruhte in seiner Westentasche, bereit herausgeholt und seiner Verlobten angeboten zu werden. Er bildete sich ein, ihn zwischen sich und Lilah fühlen zu können wie eine dünne Rüstung aus Gold und Diamanten, die sie auf Abstand hielt.
Konnte er sich überhaupt vorstellen, ihn an Lilahs klauenbewehrten Finger zu stecken? Sie würde zweifellos über einen derart armseligen Stein spotten. Doch hatte er eine Wahl?
Als Lilah ihn auf die Ottomane drängte und sich dann rittlings auf ihn setzte, während vorgetäuschte Leidenschaft in ihrem hübschen Gesicht aufflammte, tat Graham, was Tausende widerstrebender Partner bereits vor ihm getan hatten.
Er schloss die Augen und dachte an England.
Das übliche Arrangement.
Sophie spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte. Sie hatte Lilah in die kleine Kammer schlüpfen, aber nicht wieder herauskommen sehen.
Ihr war klar, dass sie den Mann gefunden hatte, nach dem sie den ganzen Abend gesucht hatte. Beim Anblick der verschlungenen Glieder, der verrutschten Röcke und des langen, üppigen, offensichtlich falschen Haares auf der Ottomane drehte sich ihr der Magen um, aber sie wartete.
Um Gottes willen, die beiden waren so miteinander beschäftigt, sie hatten nicht einmal bemerkt, dass sie hereingekommen war.
Sophie konnte dem Drang nicht widerstehen. Sie trat vor und griff zu. Lilahs Haarteil baumelte zusammen mit ein paar Strähnen ihres echten Haares in Sophies Hand. Haarnadeln regneten zu Boden.
Lilahs Schrei vermischte sich mit der Arie der Sopranistin. Rasch gab Sophie der Tür einen Tritt und schloss die Gesellschaft draußen aus.
Lilah sprang von Grahams Schoß auf und stürzte sich auf Sophie. »Ihr?«
»Es tut mir so leid, dass ich störe, aber ich fürchtete, Ihr würdet den Herrn mit Euren vollen Brüsten ersticken. « Sophie schenkte Graham ein boshaftes Lächeln. »Guten Abend, Grammie!« Dann wandte sie sich wieder an Lilah und hielt das Haarteil hoch. »Ich hasse es ja, diejenige sein zu müssen, die es Euch sagt, Lady Lilah, aber Ihr verliert Haare.«
Lilah griff danach, doch Sophie hielt es hoch in die Luft.
Lilahs unheimliche Augen verengten sich. »Das werdet Ihr mir büßen, Ihr … Ihr wiehernde Schindmähre.«
Graham rührte sich. »Lilah, es besteht kein Grund …«
Lilah fuhr ihn an. »Wag es bloß nicht, sie zu verteidigen, du wimmernder Wurm, nicht, wenn du mein Geld wirklich haben willst!«
Sophie verschränkte die Arme und wedelte beiläufig mit den ebenholzfarbenen Locken. »Meine Güte, Graham«, sagte sie ruhig. »Denk nur an die Jahre ehelichen Glücks, die vor dir liegen.« Sie seufzte verträumt. »Jahr um Jahr um Jahr …« Sie legte den Kopf schief. »Aber Lilahs letzte Ehe hat ja nicht so lange gehalten.« Sie lächelte Lilah an. »Stimmt doch, Schätzchen, oder? Dabei hielten wir ihn anfangs alle für einen gesunden, kräftigen Mann …«
»Sophie.« Graham stand auf. »Es wäre mir wirklich lieber, wenn Ihr Euch nicht einmischen würdet.«
Aber Lilah und Sophie hatten einander jetzt ernstlich den Krieg erklärt. Sie beachteten ihn gar nicht mehr.
»Ein toter Ehemann ist immer noch besser, als überhaupt keinen abzubekommen«, sagte Lilah höhnisch. »Ich weiß ja nicht, wem Ihr diese Kleider gestohlen habt, aber wenn ich mit Euch fertig bin, wird jeder in London wissen, was für ein gewöhnliches kleines Landei Ihr wirklich seid.«
Sophie zog eine Augenbraue hoch. »Daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht.«
Da machte Graham einen Schritt vor und legte die Hand auf
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