Lodernde Träume
sie auch für raffinierter, als sie war, und sie hatte einfach manches falsch verstanden. Ja, vielleicht hatte er sie gar nicht beleidigt, vielleicht war alles nur ein Missverständnis . »Was war dann Ihre Absicht?«
»Ich hätte gern mehr von Ihnen gesehen.«
Das war genau das, was sie von ihm gerne gehört hätte - doch vorhin, vor seinem eigenartigen Stimmungswandel. Nun aber war sie sich gar nicht mehr sicher, ob sie ihn überhaupt noch einmal sehen sollte.
»Warum?« fragte sie ein wenig keck.
»Meine jetzige Geliebte langweilt mich zunehmend. Hätten Sie nicht Lust, ihren Platz einzunehmen?«
»Ihre Geliebte?«
Er fuhr fort, als hätte er ihre Empörung nicht bemerkt: «Ich denke, Sie wären ein guter Ersatz. Kann ich natürlich erst dann genau sagen, wenn ich Sie ausprobiert habe. Vielleicht finden wir hier ein verstecktes Plätzchen, um...«
Mit einem lauten Knall landete ihre Hand auf seiner Wange. Dann riss sie sich von ihm los. Diesmal versuchte er nicht, sie aufzuhalten. Doch dann blieb sie stehen - sie war noch nicht fertig mit ihm. Sie wollte mehr als ihn nur ohrfeigen. Sie wollte ihn als genau das beschimpfen, was Devlin gesagt hatte, dass er wäre: ein Lump, ein mieser Schuft, ein Verführer unschuldiger Mädchen. Doch sie brachte kein Wort heraus. Ihre Wut verschnürte ihr die Kehle.
Sie war drauf und dran, ihm die Maske herunterzureißen. Sie wollte sichergehen, diesen Wüstling wiederzuerkennen, wenn sie ihm jemals wieder begegnen sollte, was sie jedoch nicht hoffte. Unfaßbar! Den ganzen Abend hatte sie gehofft, dass sie ihm begegnen würde, noch vor wenigen Minuten hatte sie sich nach seiner Umarmung gesehnt!
»Da sind Sie ja, Miss Penworthy! Ich glaube, der nächste Tanz gehört mir.«
Sie fuhr herum. Sie schämte sich fast, alleine mit diesem so durch und durch verdorbenen Mann angetroffen zu werden. Jetzt wusste sie, wer Ambrose St. James wirklich war. Aber Lord Frederick, dem sie den nächsten Tanz versprochen hatte, war doch der Freund des Herzogs. War er womöglich genauso? Das war mehr als wahrscheinlich! Sie musste sich vor ihm hüten, vor ihm wie vor seinem Freund.
»Sir, Sie haben verabscheuungswürdige Freunde, vor allem der da«, sagte sie in eiskaltem Ton zu dem Marquis und wies mit dem Daumen hinter sich. »Der da?« fragte Lord Frederick verdutzt. Megan runzelte die Stirn. Hatte er sie nicht richtig verstanden? Sie drehte sich um - und erstarrte. Der Platz an der Brüstung war leer.
Der Herzog von Wrothston, dieser widerwärtige Kerl, war nicht mehr da, so, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Nicht einmal ein Zweig der Sträucher hinter der Brüstung bewegte sich noch. Es wäre besser gewesen, er wäre schon früher, viel früher, verschwunden, bevor sie ihm jemals begegnet wäre. Doch nein, vielleicht war es so besser. Jetzt kannte sie ihn, jetzt wusste sie, wer er wirklich war. Zum Teufel mit dir, Ambrose St. James, samt all deinen Titeln!
Hewlett-Packard
17
»Warum, um alles in der Welt, war ich nur so dumm!«
Sie befanden sich auf dem letzten Stück der Rückreise. Die Kutsche der Roberts' schaukelte in einem einlullenden Tempo dahin. Tiffanys Mutter war bereits auf ihrem Sitz eingeschlafen.
Tiffany selbst war auch schon fast eingenickt, aber bei Megans Worten war sie sofort wieder hellwach. »Ich dachte, du hättest endlich aufgehört, darüber nachzugrübeln.«
Doch Megan konnte einfach über nichts anderes nachdenken. Was hatte sie bloß für eine kolossale Dummheit begangen! Sie hatte ihrer Freundin die ganze erniedrigende Szene erzählt, die sie mit Ambrose St. James erlebt hatte.
»Mein Gott, wie konnte ich bloß so dumm sein. Aber vielleicht geschieht es mir ganz recht so. Vielleicht habe ich es genauso verdient.«
»Nein, das hast du nicht«, erwiderte Tiffany treuherzig. »Du brauchst dir wirklich keine Vorwürfe zu machen. Ich habe genauso wie du gehofft, dass alles gutgehen würde, und ich bin jetzt genauso enttäuscht wie du.«
»Ich bin eigentlich gar nicht enttäuscht«, sagte Megan nachdenklich, »zumindest jetzt nicht mehr. Ich bin vielmehr wütend auf mich selbst, dass ich alle meine Hoffnungen auf einen Mann gesetzt habe, den ich überhaupt nicht kannte. Du hast mich ja immer schon gewarnt! Ich kann es einfach nicht verstehen, wie ich tatsächlich so idiotisch sein konnte. Aber ich bin auch wütend auf ihn. Ich kann mir nicht helfen, aber als Herzog müsste er doch wenigstens ein Mindestmaß an Anstand
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