Loderne Glut
absolut unbegreiflich«, meinte Hank sarkastisch.
»Bitte, nehmen Sie mir das jetzt nicht übel, Dr. Montgomery. Sie waren es ja, der mir etwas beibringen wollte, und ich hatte Sie damals nicht darum gebeten.«
»Was wollen Sie nun wirklich von mir?« fragte er wütend. »Sie sind also zu mir gekommen, um zu erfahren, wie der Rest der Menschheit lebt, richtig? Und jetzt wollen Sie also wieder zu ihrem Lehrer-Verlobten zurückkehren, nachdem Sie Ihre Unwissenheit mit einem kleinen Seitensprung beseitigt haben. Ist das richtig so?«
Tränen traten wieder in Amandas Augen, und sie stellte ihren Teller ab.
»Oh, verdammt«, fluchte Hank und reichte ihr sein Taschentuch. »Also gut«, fuhr er leise fort, »erzählen Sie mir, was Sie bedrückt.«
»Alles!« rief Amanda, und dieses Wort kam ihr aus dem Herzen. »Ich fühle mich so unzufrieden, so ruhelos. Ich war wirklich glücklich, ehe Sie zu uns ins Haus kamen. Ich habe mich den ganzen Tag mit meinen Studien beschäftigt, und die Abende mit Taylor, die wir mit Hausmusik und dem Rezitieren von Gedichten verbrachten, waren wundervoll. Aber jetzt. . .« Sie schneuzte sich. »Nun höre ich Ragtime-Musik in meinem Kopf, will nicht mehr den ganzen Tag zu Hause bleiben und möchte mein Wissen nutzbringend anwenden. Und ich stelle das, was Taylor und mein Vater zu mir sagen, in Frage. Und diese Armut der Leute, die hierherkommen, um unseren Hopfen zu pflücken! Ich komme mir vor wie eine Prinzessin, die ihr ganzes Leben lang in einem Turm eingesperrt war!«
Hank wollte ihr keine Vorträge halten, wollte ihr nicht einmal genauer ausführen, wie isoliert sie tatsächlich gewesen war. »Sie kamen also zu mir und wollten diesen Job haben, weil Sie etwas mehr von der Welt sehen wollten. Gehörte die vergangene Nacht zu den Mitteln, mit denen Sie Ihre Ruhelosigkeit kurieren wollten?«
»Ich weiß nicht, was in der letzten Nacht genau passiert ist«, antwortete sie aufrichtig. »Die vergangene Nacht hat meine Verwirrung nur noch schlimmer gemacht. Ich scheine nicht mehr zu wissen, wer ich bin oder was ich will. Und Taylor ist auch irgendwie verändert. Erst behandelt er mich wie ein kleines Mädchen — er sagt, er denkt an mich wie ein kleines Mädchen -, und im nächsten Augenblick verspricht er mir Küsse, wenn ich meine Lektionen gut lerne.«
»Er verspricht was?« fragte Hank erstaunt.
Amanda antwortete ihm nicht direkt. »Ich vermute, daß Taylor genauso durcheinander ist wie ich. Er weiß nicht mehr, ob ich nun ein Schulmädchen bin oder eine Frau. Er hat mich nun schon so lange um sich, daß ich nicht sicher bin, ob er sich daran erinnern wird, wie man eine Frau behandeln muß.«
Hank sagte ihr nicht, daß das etwas war, was ein Mann nie vergaß. Er versuchte, ihr Problem aus der Entfernung zu betrachten. Als wäre sie seine Studentin und nicht eine Frau, deren Mund ihn . . . Studentin! dachte er - denke an sie als Studentin. »Was möchten Sie lieber sein, Amanda?« fragte er im Tonfall eines Lehrers. »Eine Frau oder ein Schulmädchen?«
Sie nahm ihren halbvollen Teller wieder in die Hand. »Ich kann nicht leugnen, daß ich mich zu Ihnen hingezogen fühlte, Dr. Montgomery.«
Hank knirschte mit den Zähnen.
»Aber ich glaube nicht, daß das gestern passiert wäre, wenn ich wüßte, wie ich Taylor dazu bringen könnte, mich als Frau zu betrachten.« Sie blickte rasch zu ihm, und als sie bemerkte, daß er sie nicht zornig ansah, seufzte sie erleichtert. »In manchem, was Sie zu mir gesagt haben, steckt eine große Portion Wahrheit. Ich bin so etwas wie eine Gefangene in meinem Zuhause gewesen; aber das war nur so, weil es mir niemals eingefallen ist, etwas zu unternehmen. Als ich mich jetzt dazu entschloß, meine Studien abzubrechen und für Ihre Gewerkschaft zu arbeiten, brachte ich es fertig. Und heute morgen, als Taylor . ..«
»Als Taylor was?« forschte Hank nach, bemüht, mit kühler Stimme zu sprechen.
»Heute morgen war ich . . . nun, ich schlief, ohne mir ein Nachthemd angezogen zu haben. Die Tür stand offen, Taylor kam herein und sah mich ... er schaute mich mit einigem Interesse an — so als wäre ich eine Frau und nicht ein Kind.«
Hank stellte seinen Teller beiseite. Er brachte keinen Bissen mehr hinunter. »Oh?« preßte er mit einiger Mühe hervor. War das alles, was ihr die vergangene Nacht bedeutete? Daß Freund Taylor mit dem eisernen Kreuz im Rücken endlich begriffen hatte, daß sie eine Frau war?
»Er sah also eine halbnackte Frau im Bett
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