Loderne Glut
sie beurteilten sie nach ihrer Herkunft und nicht nach dem, wie sie sich hier als Person vor ihren Augen darstellte.
Hinter ihr rätselte Hank, warum sie sich so im Ton hatte vergreifen können. Er hatte sie angeschnauzt, weil es ihm nicht gefallen hatte, wie sie sich zwischen ihn und den Sheriff gestellt hatte, und das Verhalten des Sheriffs hatte Hank daran erinnert, daß sie die Tochter des Feindes war. Aber so wie eben hatte sie sich noch nie geäußert. Sie hatte in den letzten Tagen hart gearbeitet und kein einziges Mal eine Spur von Abneigung den Arbeitern gegenüber gezeigt.
Um sechs Uhr nachmittags kam Taylor Driscoll ins Zimmer, und Hank beschlich irrationaler Haß. Als Taylor mit liebevoll-sanften Augen auf Amanda hinuntersah, zerbrach Hank seinen Bleistift in zwei Hälften.
»Bist du soweit?« fragte Taylor leise.
Amanda räumte ihren Schreibtisch auf und verließ das Büro, ohne sich von den anderen zu verabschieden. Sie hatte noch immer kein Wort gesprochen, als sie mit Taylor im Fond der Limousine Platz genommen hatte.
»So - da arbeitest du also?« fragte Taylor. Er war nicht daran gewöhnt, ein Gespräch anzufangen. In den letzten acht Jahren hatte er mit Harker über die Ranch geredet und mit Amanda über das, was sie gerade studierte.
»Ich arbeite hier, aber ich werde nicht akzeptiert«, erklärte Amanda mit einiger Verbitterung.
Taylor lächelte. In seiner neuen Position, die nicht mehr die des Lehrers war, war er entschlossen, ihr nicht zu sagen, was er von diesem schmutzigen, mit heruntergekommenen Leuten angefüllten Haus hielt. Er beugte sich zu ihr hinüber und nahm ihre Hand. »Nein, Liebling, du gehörst auch nicht zu ihnen. Du gehörst zu mir und zu Leuten deines Schlages.«
Amanda sah ihn an und fragte sich, ob sie tatsächlich so war wie er. Sie hatte keine sonderliche Lust, auf den Jahrmarkt zu gehen, aber nach Hause fahren wollte sie auch nicht. Vielleicht gehörte sie wirklich zu Taylor. Natürlich gehörte sie zu Taylor!
Auf dem Jahrmarkt ging es laut und nicht sehr sauber zu; es stank, es glitzerte, es war schreiend bunt — und Amanda gefiel es hier sofort. So etwas brauchte sie, um die Leute zu vergessen, die sie für ein verwöhntes, anmaßendes kleines, reiches Mädchen hielten.
Taylor verließ die Limousine und wäre am liebsten sofort wieder eingestiegen. Der Rummel war so schrecklich, wie er ihn noch von damals in Erinnerung hatte. Da war ein Plakat über seinem Kopf, auf dem stand:
Prinzessin Fatima, eine Vollblut-Beduinin aus der sagenhaften Stadt Ninive, wird den mystischen Anakonda-Tanz genauso tanzen wie Hypatia in der Bibel.
Neben diesem Plakat befand sich eine fünf Meter hohe Leinwand, auf der eine plumpe, spärlich bekleidete Frau mit einer um den Körper geringelten Schlange dargestellt war. Habe ich für so etwas das College? dachte er. Um solchen Dingen zu entrinnen , war er aufs College gegangen!
»Amanda, wir können sofort wieder fahren, wenn dich dieser Ort beleidigt.«
Doch Amandas Augen wurden groß vor Staunen, als sie die Glücksbuden, die Karussells, die Schaustellerzelte und die Stände mit allerlei Leckereien sah. Alles schien gleichzeitig auf sie einzuschreien. »Nein, ist das nicht wundervoll?« Sie nahm seine Hand. »Oh, Taylor, vielen Dank, daß du mich hierhergebracht hast. Was sollen wir zuerst machen? Hast du Hunger? Wie wäre es mit einer Tüte Popcorn? Als kleines Kind habe ich immer Popcorn gegessen. Was, glaubst du, ist ein >Corn Dog Wollen wir das herausfinden?«
»O ja, laß uns das bitte tun«, entgegnete Taylor und dachte, daß es ihm nun jeden Moment schlecht würde. Nahmen andere Männer auch dieses Kreuz auf sich für die Frauen, die sie liebten? Wenn ja, war es ein Wunder, daß überhaupt noch jemand heiratete.
Eine Stunde später war Taylor davon überzeugt, daß ihm übel werden mußte. Er hatte Popcorn gegessen, Erdnüsse und ein scheußliches Ding, »Corn Dog« genannt, und er war sicher, seine Pflicht getan zu haben. Er lehnte höflich die mit Schokolade überzogenen Karamelbonbons ab, die Amanda ihm anbot. Er hatte sich sogar beeindruckt gezeigt, als eine dicke, schmutzige Wahrsagerin in Amandas Hand geblickt und prophezeit hatte: »Sie werden einen Sohn bekommen, der König sein wird.«
Nun blickte sie sehnsüchtig zu einer Glücksbude hin, wo ein übelriechender junger Mann in einem roten Seidenhemd Taylor zu sich heranwinkte, damit er mit einem Ball auf hölzerne Milchflaschen werfen sollte, und ihm den
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