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Loderne Glut

Titel: Loderne Glut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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mir das mitzuteilen?«
    »Nein«, schluchzte Amanda. »Mehr als alles andere in der Welt wünsche ich mir die Ehe mit dir; aber ich verstehe diesen Mann nicht. Ich weiß nicht, wie ich ihm eine Freude machen könnte.«
    »Noch scheinst du zu wissen, wie du mir eine Freude machen kannst.« Es folgte wieder eine Schweigepause. »Du darfst jetzt auf dein Zimmer gehen. Und dort bleibst du für den Rest des Tages - auch während der Dinnerzeit — und widmest dich deinen Büchern, bis du ein Thema findest, das diesen Montgomery interessieren wird. Wenn er dieses Haus verläßt und sich mit seinen Gewerkschaftsführern trifft, wäre das deine Schuld, und dann wirst du« - er senkte die Stimme - »für deinen Ungehorsam bestraft werden. Und jetzt geh. Ich kann deinen Anblick nicht länger ertragen.«
    Hank vernahm Amandas Schritte, als sie die Bibliothek wieder verließ, und sein erster Impuls war, hineinzugehen und Taylor ins Gesicht zu schlagen. Aber seine Hände zitterten heftig. Was er soeben gehört hatte, machte ihn krank. Er erinnerte sich, wie wütend er gewesen war, als er Blythe Woodley zusammen mit ihrem Verlobten erlebte, weil dieser Blythe anmaßend behandelt hatte; aber der Zukünftige von Blythe war nichts im Vergleich mit diesem Taylor Driscoll! Taylor maßte sich die absolute Macht über das Leben eines anderen Menschen an.
    Hank verließ das Gewächshaus und ging nach draußen und versuchte dort, genügend Luft zum Atmen zu finden; aber es schien nicht mehr genug Sauerstoff auf der Erde zu geben. Das war es, was er in Amandas Augen gesehen hatte -diese Traurigkeit, dieser Blick eines im Käfig gehaltenen Tieres. Nicht verschreckt, sondern resigniert. Taylor beherrschte ihren Geist, ihre Gedanken, sogar ihren Körper, als wäre sie kein autonomes menschliches Wesen — als wäre sie etwas, das er erschaffen hatte.
    Hank fing nun an, ihm bisher Unbegreifliches zu verstehen - zum Beispiel den rigorosen Stundenplan von Amanda. Natürlich hatte sie damals gewußt, wie lange sie sich noch im Badezimmer aufhalten würde, denn das war die Zeit, die Taylor ihr zugestanden hatte. Ihre Kleider waren von düsterer Farbe und ihre Haare straff nach hinten gekämmt, weil Taylor das so haben wollte. Sie sprach nur von Dingen, die sie in Büchern gelesen hatte, weil Taylor ihr nicht erlaubte, sich im wirklichen Leben umzusehen.
    Hank dachte an den Tag zurück, als Amanda noch spät nachts an ihrem Schreibtisch gesessen hatte. Sie mußte ihm tagsüber Gesellschaft leisten und dennoch ihre Studien fortführen und dafür ihren Schlaf opfern. Amanda war in einem Alter, in dem man bereits sein Examen am College abgelegt hatte; und dennoch wurde sie noch immer ohne Essen zu Bett geschickt, wenn sie ihrem Meister nicht gehorchte.
    Meister! dachte Hank. Wie er dieses Wort haßte. Jeder Mensch war Meister seines eigenen Schicksals; aber einige Menschen schwangen sich kraft ihres Reichtums oder ihrer Ahnenreihe zu Herrschern über andere Menschen auf. Taylor hatte vorhin gesagt, Hank gehöre der Arbeiterklasse an, als würden in Amerika noch Klassenunterschiede eine Rolle spielen. Und er hatte Amanda erzählt, wenn die Gewerkschaftsführer hierherkämen, würde man ihr und ihrer Familie die Ranch wegnehmen. Die Gewerkschaft war das Schreckgespenst der Eigentümer.
    Hank schloß einen Moment die Augen und bedachte alles, was Taylor unternahm, um Amanda zu unterjochen, um sie bei der Stange zu halten und ihr die von Gott gegebenen Freiheiten zu verwehren: die Freiheit der Wahl, die Freiheit zu lieben und ihrer Neigung oder Abneigung zu folgen, die Freiheit zu lachen oder ein finsteres Gesicht zu machen oder zu weinen. Er hatte ihr das alles genommen und hielt über ihrem Kopf das Damoklesschwert des Bankrotts und der Zurücknahme seines Eheversprechens.
    Hank ging zur Vorderseite des Hauses und blickte zu Amandas Zimmer hinauf. Er verstand nun - verstand, warum er sich sofort zu ihr hingezogen gefühlt hatte. Es war sein Haß auf Unterdrückung und Ungerechtigkeit. Etwas in ihm hatte die Sklaverei in ihr erkannt und gewußt, daß sie seine Hilfe brauchte. Er würde ihr helfen zu begreifen, daß sie ebenso viele Rechte hatte wie jeder andere auch und daß sie nicht nach dem Stundenplan, den ein anderer Mensch aufstellte, essen, schlafen und atmen mußte. Er würde ihr diese Dinge beibringen, und wenn er damit fertig war, würde sie dazu fähig sein, Taylor Driscoll zum Teufel zu schicken.
    Er lächelte zu Amandas Zimmer hinauf.

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