Loderne Glut
»Dornröschen«, murmelte er, »ich werde dich aufwecken.«
Er wandte sich vom Haus ab und ging zur Garage. Er mußte eine Weile fort von hier und Pläne schmieden - Pläne, wie er Miß Amanda Caulden zum Leben erwecken konnte.
Hank stand in seinem Zimmer im ersten Stock des Caulden — Hauses und schnallte sich den Segeltuch-Rucksack, den er soeben gekauft hatte, auf den Rücken. Er ließ sein Jackett im Schrank hängen und trug nur sein Hemd, dessen Ärmel bis über die Ellenbogen aufgekrempelt waren, und eine Hose mit Hosenträgern. Er trat auf den Balkon, verharrte dort einen Moment und sah zu den Sternen hinauf. Zu seiner Linken konnte er ein Licht hinter den Vorhängen von Amandas Schlafzimmer sehen und nur einen Hauch ihres Schattens, den sie, über ihren Schreibtisch gebeugt, gegen den Stoff warf.
So leise, wie es irgend ging, schwang er ein Bein über das Balkongeländer und stieg auf das Verandadach, das sich knapp unter Amandas offenen Fenstern befand. Das Dach war steiler, als er gedacht hatte, und er glitt mit den Schuhen darauf aus, konnte jedoch mit der einen Hand Amandas Fenstersims und mit der anderen das Fensterkreuz ergreifen. Er war schon zur Hälfte im Zimmer, ehe sie aufsah und ihn erblickte. Sie war so züchtig gekleidet wie stets - alle Knöpfe bis zum Hals hinauf geschlossen, jedes Härchen lag an der Stelle, an. die es hingehörte - obwohl die Wanduhr schon zehn Uhr zeigte und sie allein in ihrem Zimmer war.
Amanda blickte von ihrem Buch über Wirtschaftsgeschichte auf und beobachtete reglos, wie Dr. Montgomery durch ihr Fenster einstieg. Schockiert war nicht der richtige Ausdruck für das, was sie empfand. Ihr erster Gedanke war: >Taylor wird das nicht gefallenen.
Sie stand steif hinter ihrem Schreibtisch, und wieder war da dieses Gefühl aufwallenden Zorns. »Dr. Montgomery«, empörte sie sich, »Sie können unmöglich in mein Zimmer kommen.«
»Pst«, zischte er, als er vom Fensterbrett herunterstieg. »Sie werden ja alle aufwecken.« Er deutete mit dem Kopf auf den nackten Fußboden in der Mitte des Zimmers. »Das scheint mir ein gutes Plätzchen zu sein.« Er schnallte seinen Rucksack ab und reichte ihn ihr hin. »Da - nehmen Sie das.«
Und dann, was Amanda noch viel unglaublicher fand, ging er zu ihrem Bett und entfernte die Tagesdecke. »Dr. Montgomery!« protestierte sie außer sich. »Sie können doch nicht. . .«
»Sie werden wirklich noch jemanden aufwecken.« Er hob die Decke, schwenkte sie mit beiden Armen, daß sie von der Luft aufgebläht wurde, breitete sie dann auf dem Boden aus und setzte sich darauf. Er hob die Hand und forderte so, daß sie ihm wieder den Rucksack geben sollte, und Amanda beobachtete, wie er Lebensmittel zutage förderte.
Da war zunächst ein Schnittsalat und etwas, das wie Hummer- oder Langustenfleisch aussah, ein weiterer Salat mit Erbsen und gehacktem Hühnerfleisch, kleine belegte Weißbrotschnitten, Oliven, Mixed Pickles, Erdbeeren und hübsche kleine weiße Kuchen.
Dr. Montgomery hielt eine Flasche mit einer dicken roten Flüssigkeit hoch. »Erdbeersirup für die Törtchen.«
Amanda stand da wie angewurzelt und starrte verwundert auf die Lebensmittel.
»Sind Sie denn nicht hungrig? Ich habe heute das Dinner ausfallen lassen und dachte, Ihnen wäre es vielleicht ebenso ergangen, und deshalb hoffte ich, wir könnten uns gemeinsam an einer Mahlzeit erfreuen. Ich sehe wirklich keinen Unterschied zwischen einer gemeinsamen Mahlzeit hier auf dem Boden oder unten im Speisezimmer - oder Sie etwa? Wenn Sie jedoch anderer Meinung sind, können wir ja auch nach unten gehen, die Dienerschaft aufwecken, und die könnte dann irgend etwas Langweiliges für Sie kochen. Vielleicht möchten Sie sogar Taylor aus dem Bett holen, damit er mit uns speist.«
»Nein«, sagte Amanda rasch und erbleichte bei dem Gedanken, daß sie Taylor wecken sollte. Der Duft der Speisen stieg ihr in die Nase, und sie spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Sie sank vor den ausgebreiteten Speisen nieder.
»Sandwiches?« fragte er und hielt ihr die Platte mit kleinen, krustenfreien Weißbrotschnitten hin. »Sie sind mit gehacktem Schinken und einem Hauch von Senf belegt.«
Amanda nahm eine der Schnitten entgegen, knabberte mit den Vorderzähnen daran, und dann verschwand das ganze Stück in ihrem Mund. Es schmeckte himmlisch.
Hank reichte ihr nun lächelnd einen hübschen kleinen Porzellanteller zu. »Bedienen Sie sich. Es ist nicht viel; aber es ist das Beste, was ich in
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