Loderne Glut
verbrachte. Einen Moment lang fragte sich Amanda, was ihre Mutter wohl zu so später Stunde noch trieb. Vor Jahren hatte Taylor ihr verboten, ohne Aufsicht mit ihrer Mutter zu verkehren, da seiner Meinung nach Grace Caulden einen schlimmen Einfluß auf ihre Tochter ausübte. Und Grace hatte sich rasch die geregelten Zeiten eingeprägt, zu denen ihre Tochter sich außerhalb ihres Zimmers bewegte, und deshalb sahen sie sich nur noch selten.
Amanda schüttelte den Kopf. Auch daran war Dr. Montgomery schuld, daß ihre geregelten Zeiten nicht mehr eingehalten wurden. Ihre Mutter übte keinen guten Einfluß auf sie aus - einen genauso üblen Einfluß wie Dr. Montgomery. Doch sie mußte ihn ertragen, bis der Hopfen eingebracht und alle Gefahren eines Streiks gebannt waren. Wenn das erledigt war, konnte sie zu ihrem normalen Leben zurückkehren. Dann würde sie nach dem Dinner wieder mit Taylor im Salon sitzen und mit ihm intelligente, bedeutende Dinge erörtern. Und sie konnten sich wieder von Sachen ernähren, die gut waren für den Körper. Und sie wußte dann wieder, was tagsüber geschehen würde. Es würde keine Fahrten in Rennautos mehr geben und keinen Mann, der nachts durch ihr Fenster kam. Und es würde sich auch kein Zorn mehr in ihr regen. Sie war so ruhig und friedlich, wenn sie mit Taylor zusammen war; aber in Dr. Montgomerys Gegenwart mußte sie ständig gegen ihre Wut ankämpfen.
Wieder in ihrem Zimmer angekommen, zog sie sich ihr Nachthemd an, breitete die Tagesdecke über ihr Bett und versteckte dann den schmutzigen Teller, den Dr. Montgomery bei ihr zurückgelassen hatte. Mrs. Gunston sollte ihn besser nicht sehen, wenn sie morgens zum Wecken kam.
Sie räumte ihre Schreibtischplatte ab, weil Mrs. Gunston Taylor täglich berichten mußte, in welchem Zustand sie morgens Amandas Zimmer vorfand. Amanda plagte ein bißchen das schlechte Gewissen, weil sie ihre Studien nicht fortsetzte, aber sie fühlte sich mit vollem Magen so müde und schläfrig, und zudem - was nützten ihr schon ihre Studien? Dr. Montgomery diskutierte mit ihr nie über intelligente Themen. Er aß nur und fuhr mit seinem kleinen Wagen schneller als der Wind - was sie beides verabscheute, setzte sie im Geiste hinzu.
Morgen würde sie sich besser anstellen als heute. Morgen würde sie sich so benehmen, als stünde Taylor neben ihr. Sie würde ihr Gespräch auf kluge Themen lenken, und es würde ihm nicht gelingen, sie so herauszufordern, daß sie ihm zeigte, wie wütend sie auf ihn war.
Und sie würde auch nicht essen, was er ihr anbot. Und wenn er schnell fuhr, würde sie ihn bitten, sein Tempo zu drosseln. Sie mußte energisch auftreten und ihm beweisen, daß sie durchaus Herrin über ihr eigenes Leben war. Wie konnte er es wagen, sie als unterdrückte Person zu bezeichnen! Sie würde ihm zeigen, daß sie fähig war, eigene Entscheidungen zu treffen.
Sie legte sich ins Bett und träumte von in Butter geröstetem Mais, Roastbeef und Erdbeeren mit Schlagsahne, und als sie aufwachte, hatte sie rasenden Hunger, und der Gedanke an ein einziges Ei im Glas mit einer trockenen Scheibe Toast bereitete ihr Übelkeit. Aber sie würgte dieses Gefühl hinunter, so daß sie sich wieder vollkommen in der Gewalt hatte, als Mrs. Gunston sie wecken kam.
Kapitel Acht
Als Hank am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich großartig. In der vergangenen Nacht hatte er bei Amanda erreicht, was er sich vorgenommen hatte - sie nämlich dazu zu bringen, Gefühle zu zeigen. Wenn er ihren Zorn erregen konnte, vermochte er auch andere Empfindungen in ihr wachzurufen, und Emotionen würden für Amanda der Schlüssel zu der Erkenntnis sein, daß sie sich dem Willen eines anderen Menschen unterworfen hatte.
Er pfiff leise vor sich hin, als er zum Frühstück herunterkam, und dort wurde er von einem stirnrunzelnden Taylor Driscoll begrüßt.
»Guten Morgen«, sagte Hank heiter. »Warten Sie schon auf ein herzhaftes Frühstück aus Rühreiern und Schinken?« Lächelnd ging er an Taylor vorbei ins Eßzimmer. Wie in aller Welt konnte Amanda sich nur einbilden, daß sie diese Karikatur von einem Mann lieben würde?
Er bedachte Amanda mit einem warmherzigen Lächeln, die bereits am Tisch hinter ihrem mageren Frühstück saß, und ging zur Anrichte, um sich dort von dem üppigen Büfett zu bedienen.
»Speck?« fragte er Amanda, ehe Taylor das Zimmer betrat. »Er schmeckt verdammt gut.«
»Und schadet Ihrem Organismus«, versetzte sie kalt.
»Haben Sie Angst, daß
Weitere Kostenlose Bücher