Loderne Glut
Eßzimmer sein sollen.«
»Ich war beschäftigt«, entgegnete Amanda, während sie das weiße Kleid in den Schrank hinter sich schob. »Ich werde so schnell wie möglich hinunterkommen.«
»So schnell wie möglich .. .!« wiederholte Mrs. Gunston und schnaubte entrüstet. »Sie haben den Plan nicht eingehalten. Ich werde dem Meister davon Mitteilung machen.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer, wobei sie fast die Tür hinter sich ins Schloß geschleudert hätte.
»Dem Meister ?« murmelte Amanda und gab sich dann einen Ruck. Sie mußte sich fertigmachen zum Frühstück und es so einrichten, daß sie wieder die Zeit einholte, die auf dem Stundenplan vermerkt war. Dann fiel ihr ein, daß sie heute morgen ja noch gar nicht auf ihren Stundenplan geschaut hatte.
Sie zog sich in fliegender Hast um, bemühte sich, ihren Stundenplan auswendig zu lernen und sich so rasch wie möglich nach unten zu begeben; aber irgend etwas schien Sand in ihr Getriebe gebracht zu haben. Vielleicht lag es an der Hitze, vielleicht auch an der Tatsache, daß heute Sonntag war - jedenfalls kam sie jetzt noch mehr mit dem Plan in Verzug.
Taylor stand im Durchgang zum Speisezimmer, seine Taschenuhr in der Hand, einen finsteren Ausdruck auf dem Gesicht. »Du kommst heute aber sehr spät herunter. Amanda.«
»Ja, ich weiß; aber ich war die ganze Nacht aufgeblieben, um die Differentialrechnung zu studieren, und seitdem hinke ich ständig hinter der Zeit her. Was gibt es denn zum Frühstück?« Sie segelte an ihm vorbei und bemerkte nicht, wie ihm die Kinnlade herunterfiel.
Taylor schloß rasch wieder den Mund. Gestern das Küssen und heute die Unpünktlichkeit. Er mußte sie wieder unter Kontrolle bringen.
Amanda blickte auf ihr pochiertes Ei und die trockene Toastschnitte und wäre fast bis an die Wand zurückgeprallt. Sie hatte einen so gewaltigen Hunger, und dies reichte nicht einmal aus, den Magen eines Kaninchens zu füllen. Aber sie wollte ja in ihre sichere kleine Welt zurückkehren, und dieses magere Frühstück war ein Teil davon. Sie nahm ihren Löffel in die Hand.
»Nun, Amanda, möchtest du mit der morgendlichen Konversation beginnen, oder soll ich in den Anfang machen?«
»Entschuldigung - was hast du eben gesagt? Ach ja, die Konversation. Ich fürchte, ich habe vergessen, was für ein Gesprächsthema heute auf dem Stundenplan steht. Ich habe einen überaus hektischen Morgen hinter mir.« Sie sah auf, als die Mädchen eine verdeckte Schüssel hereinbrachten und diese auf die Anrichte stellten. Amandas Magen bekundete ihr vernehmlich seine Sehnsucht, mit diesen Speisen bekanntgemacht zu werden. Sie blickte voller Verlangen zu den silbernen Schüsseln hinüber.
»Amanda!« rügte Taylor. »Soll das etwa heißen, daß du heute noch nicht einmal deinen Stundenplan angesehen hast?«
»Ich habe ihn gelesen, aber ich kann mich einfach nicht an das erinnern, was daraufstand. Wenn du mir sagst, was es war, könnte ich vielleicht mit der Konversation beginnen.«
Taylor hatte keine Zeit, sich von seiner Entrüstung zu erholen, weil J. Harker ins Zimmer stürmte, eine Zigarre in den Mundwinkel geklemmt.
»Er ist fort«, verkündete Harker statt eines Morgengrußes. »Dieser Professor und sein komischer kleiner Wagen sind weg.«
Beide, Taylor wie Harker, richteten einen anklagenden Blick auf Amanda.
»Ich tat mein möglichstes«, entschuldigte sie sich. »Ihm paßte es nicht, sich nach einem Stundenplan richten zu müssen.«
Harker drehte sich Taylor zu: »Du hast ihn auf einen deiner verdammten Stundenpläne gesetzt? Wie hast du das angestellt? Den Plan mit Reißzwecken an seine Tür geheftet? Hast du ihm gesagt, wann er aufs Klo zum Pinkeln gehen darf?«
Taylor hielt seinen Rücken sehr gerade. »Das habe ich natürlich nicht getan. Amanda sollte ihm lediglich tagsüber nicht von der Seite weichen. Und ich habe den beiden Anregungen für einige Zerstreuungen gegeben. Das war alles.«
J. Harker schob die Zigarre von einem Mundwinkel zum anderen. Er war stets zutiefst beeindruckt gewesen von Taylors Bildung, aber in diesem Augenblick fragte er sich, ob in Taylors Gehirn überhaupt ein Funken praktischer Menschenverstand vorhanden war. »Was für Zerstreuungen? Bibliotheken? Museen? Er mußte zuhören, wie Amanda ihr Wissen herunterspulte?«
Amandas Gesicht wurde rot bei dieser Bemerkung, aber keiner der beiden Männer beachtete sie.
»Dr. Montgomery ist Professor. Ich bin sicher, er genoß diese . .
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