Lösegeld Für Einen Toten
brauchen. Ein Mädchen wird zur Frau, lange bevor ein Junge zum Manne reift, läßt man das bloße Wachstum der Armmuskeln aus dem Spiel. Sie brauchte nur noch etwas zu warten und ihre Klugheit zu nutzen; eines Tages wäre sie dann nicht mehr die vernachlässigte Dritte im Bunde. Doch sie war stolz und wild entschlossen und nicht zum Warten geschaffen.
Cadfael machte sich zurecht und ging zum reich, doch einfach gedeckten Tisch von Tudur ap Rhys. In der Dämmerung flackerten Fackeln an der Hallentür, und von Norden, aus der Richtung von Llansantffraid, kam ein munterer Trupp Reiter von der Patrouille zurück. In der Halle standen die Tische verteilt, der zentrale Kamin brannte hell und schickte duftenden Holzrauch zur geschwärzten Decke, während Owain Gwynedd, der Herr von Nordwales und ausgedehnten Ländereien, zufrieden und hungrig seinen Platz an der Haupttafel einnahm.
Cadfael war ihm vor einigen Jahren schon einmal begegnet. Er war kein Mann, den man leicht vergaß, denn obgleich er sehr wenig von Status und Zeremonien hielt, kam seine königliche Abstammung unübersehbar in seiner Person zum Ausdruck. Gerade siebenunddreißig Jahre alt, stand er in voller Mannesblüte; für einen Waliser war er recht groß gewachsen. Er hatte helles Haar, denn seine Großmutter war Ragnhild aus dem dänischen Königreich von Dublin und seine Mutter Angharag, die unter den dunklen Frauen des Südens wegen ihres flachsfarbenen Haares bekannt war. Seine jungen Gefolgsleute traten wie er ruhig und selbstbewußt auf, wenn auch mit einem prahlerischen Unterton, den ihr Prinz nicht nötig hatte. Cadfael fragte sich, welcher dieser stürmischen Jungen Eliud ap Griffith war, und ob Cristina ihm schon vom Überleben seines Vetters berichtet hatte und in welchen Worten und mit welch eifersüchtiger Bitterkeit, da sie nach wie vor als kaum beachtetes Anhängsel des eingeschworenen Paares galt.
»Und hier haben wir Bruder Cadfael von den Benediktinern in Shrewsbury«, sagte Tudur herzlich, während er Cadfael dicht beim Kopfende des Tisches einen Platz anwies, »mit einer Nachricht für Euch, mein Herr, aus jener Stadt und Grafschaft.«
Owain taxierte die stämmige Gestalt und das verwitterte Gesicht mit vorsichtigen blauen Augen und streichelte seinen kurzgeschnittenen hellblonden Bart. »Bruder Cadfael ist willkommen und ebenso jeder Beweis der Freundschaft aus jener Gegend, denn mir liegt viel an einem sicheren Frieden.«
»Einige Eurer und meiner Stammesgenossen«, sagte Cadfael unverblümt, »statteten vor kurzem mit nicht besonders freundlichen Absichten Shropshires Grenzen einen Besuch ab und ließen unseren Frieden noch bedeutend weniger sicher erscheinen, als er nach Lincoln ohnehin schon war. Ihr habt gewiß davon gehört. Euer hochgeborener Bruder führte den Überfall nicht an, und es mag sogar sein, daß er die Entgleisung nie gutgeheißen hätte, doch er ließ uns in einem überfluteten Bach ein paar Ertrunkene zurück, die wir ordentlich begraben haben. Unter ihnen war einer, den die braven Schwestern lebend aus dem Wasser zogen und den Euer Gnaden gewiß zurückhaben wollen, weil er nach seinen eigenen Worten mit Euch verwandt ist.«
»Was Ihr nicht sagt!« Die blauen Augen hatten sich geweitet und strahlten nun. »Ich war nicht so damit beschäftigt, den Grafen von Chester im Zaum zu halten, daß ich es versäumt hätte, ein ernstes Wort mit meinem Bruder zu reden.
Auf dem Heimweg von Lincoln war dies nicht die einzige Entgleisung, und jede dieser Verrücktheiten wird mich einiges an Wiedergutmachung kosten. Nennt mir den Namen Eures Gefangenen.«
»Sein Name«, sagte Cadfael, »ist Elis ap Cynan.«
»Ah!« sagte Owain und atmete tief und befriedigt aus. Er setzte seinen Becher klirrend auf den Tisch. »Dann lebt der dumme Junge noch und konnte Euch seine Geschichte erzählen. Ich freue mich sehr, dies zu hören, und ich danke Gott für diesen Ausgang und Euch, Bruder, für die Botschaft.
Unter dem Gefolge meines Bruders war kein einziger Mann, der beschwören konnte, wie er verlorenging oder was ihm zustieß.«
»Sie rannten viel zu schnell, um sich umzusehen«, sagte Cadfael lächelnd.
»Von einem Mann unseres eigenen Blutes«, entgegnete Owain grinsend, »nehme ich dies so, wie es gemeint ist. Also lebt Elis noch und ist gefangen! Ist er schwer verletzt?«
»Kaum ein Kratzer. Und er mag dabei ein wenig zu Sinnen gekommen sein. Gesund und munter ist er, das kann ich Euch versichern, und mein Auftrag ist
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